Praktikum im Homeoffice – Geht das oder muss das weg?

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Auch Studierende müssen ihr Pflicht-Praktikum online absolvieren. Professor Peter M. Wald beschreibt die Herausforderungen und Erfolgsfaktoren.

Das Thema Homeoffice wird derzeit heftig diskutiert. Dabei stehen oft die klassischen Büro- oder Wissensarbeiter im Zentrum. Weniger wird darüber diskutiert, dass zunehmend auch Studierende ihr Pflicht-Praktikum online absolvieren müssen. Diese „Online-Praktika“ stellen ganz besondere Anforderungen an Unternehmen und Praktikanten, die zum Teil über bislang praktizierten Homeoffice-Lösungen hinausgehen. Als Online-Praktika werden hier Praktika betrachtet, in denen der weit überwiegende Teil des Praktikums aus der Distanz und mit Hilfe digitaler Kommunikationsmittel durchgeführt wurde. Die Erfahrungen von „Online-Praktikanten“ näher zu betrachten sinnvoll, weil die Aussagen betroffener Studierender ein sehr differenziertes Bild zum Umgang der Unternehmen mit dieser Situation zeichnen.

Praktikanten mit der nötigen Technik ausstatten

Was sind nach aktuellen Aussagen Studierender (Studienrichtig Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule des Autors) die besonderen Herausforderungen und Erfolgsfaktoren bei Online-Praktika? Zu diesen zählen technische Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, um die im Praktikum geforderten Aufgaben auch online bearbeiten zu können. Einige Unternehmen haben ihre Praktikanten sogar mit der nötigen Technik ausgestattet und zum Teil auch Möglichkeiten für den technischen Support geschaffen. Als hinderlich erwähnten einige Studierende die zum Teil schlechte Verbindungsqualität. Ein Sachverhalt, der von den hier betrachteten Akteuren nicht beeinflusst werden kann.

Absolut wichtig: (virtuelles) Onboarding

Übereinstimmend haben alle Studierenden die außerordentliche Bedeutung eines erfolgreichen (virtuellen) Onboardings beziehungsweise der gezielten Einarbeitung in die Aufgaben im Praktikum hervorgehoben. Hier wäre es nach Aussage einer Studierenden „hilfreich … Tutorials beziehungsweise Videos bereitzustellen“, die den Umgang mit den technischen Anwendungen im Praktikum erleichtern. Ein anderer Studierender schreibt, dass aus seiner Sicht „eine wenn möglich persönliche und vor Ort im Unternehmen stattfindende Einarbeitung die wichtigste Grundvoraussetzung“ für ein erfolgreiches Online-Praktikum darstellt.

Persönliche Ansprechpartner gewünscht

Darüber hinaus besteht auch der Wunsch im Zuge des Onboardings zumindest einen Teil der Kollegen kennenzulernen. Dazu schreibt eine Studierende „wäre dies nicht möglich gewesen, wäre mir die Arbeit im Homeoffice viel schwerer gefallen!“. Bedeutsam aus Sicht der Studierenden ist die Verfügbarkeit eines persönlichen Ansprechpartners, um auch bei den beschränkten virtuellen Möglichkeiten im Praktikum ein laufendes Feedback zu erhalten.

Offensichtlich fällt es derzeit vielen Unternehmen schwer, einen regelmäßig online beziehungsweise mobil verfügbaren Ansprechpartner zu benennen. Dieser sollte online „gezielt den Kontakt mit dem Praktikanten suchen“ und diesem „Feedback zu (den) erbrachten Leistungen“ geben. Führungskräfte, die ständig in Online-Meetings sind, können diese wichtige Aufgabe offensichtlich nicht erfüllen.

Kommunikation: Online-Meetings, virtuelle Coffeedates und Praktikanten Jour Fixe

Alle Studierenden heben auch die Bedeutung der „Kommunikation mit den Praktikanten“ hervor – zum Beispiel im Rahmen von „regelmäßigen Online-Meetings“ mit den Mitarbeitenden, „die fest verankert sind im Wochenplan“. Studierende beschrieben den täglichen Kontakt im Team „meist über eine Videokonferenz oder eine Telefonkonferenz am Morgen.“ Dies wurde als unkompliziert und als „angenehmer Start in den Arbeitstag“ hervorgehoben.

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Außerdem sollten auch Möglichkeiten für ein Zusammentreffen „außerhalb der festen wöchentlichen Termine“ bestehen, „wo es nur um das Wohlbefinden der Mitarbeiter geht“ und wo fachliche Themen ausgeschlossen sein sollten. Eine Studierende verwies auf die Hilfe bei der „besseren Integration in das Team (durch) sogenannte „virtuelle Coffeedates“. Diese „hatten wir alle 1-2 Wochen per MS-Teams, um auch privat im Austausch zu bleiben.“

Weitere Informationen beziehen sich auf sogenannte „Praktikanten Jour Fixe“, die sehr hilfreich waren, „um sich mit den anderen Praktikantinnen über die Homeoffice Situation und ihre Aufgaben etc. auszutauschen.“ Dies unterstreicht, wie bedeutsam gerade bei Online-Praktika der gezielte Aufbau von Netzwerken zwischen den Praktikanten auf der einen und zwischen Praktikanten und den Unternehmen auf der anderen Seite ist.

Freie Zeiteinteilung und hohe Eigenverantwortung versus Prokrastination

Als positiv bewerten einige Studierende die weitgehend „freie Zeiteinteilung zur Erledigung (der) Aufgaben und dadurch hohe Flexibilität“ sowie die „selbstständige Arbeitsweise mit hoher Eigenverantwortung“. Als negativ wurde einerseits die zum Teil gewünschte „ständige Erreichbarkeit“ und andererseits das „Warten auf Antworten“ der Ansprechpartner im Unternehmen bewertet.

Andere Studierende verwiesen auf wichtige persönliche Voraussetzungen, die den Erfolg gerade dieser Online-Praktika beeinflussen und deshalb bei deren Durchführung berücksichtigt werden sollten. So gibt es Studierende, die (noch) nicht sehr sicher im Umgang mit sozialen Kollaborationstools sind und die bei Online-Praktika unter anderem auf möglicherweise entstehende Prokrastinationsgefahren verweisen. Dies unterstreicht einmal mehr die Tatsache, dass Online-Praktika nicht einfach digital „übersetzte“ Praktika sind, sondern hier auch persönliche Voraussetzungen der Praktikanten stärker als bei konventionellen Praktika zu berücksichtigen sind.

Widerspruch zwischen Autonomie und Wunsch nach Koordination und Führung

Die hier nur grob skizzierten Erfahrungen zeigen, dass der erfolgreiche Umgang mit den in der Vergangenheit häufig angesprochenen klassischen organisatorischen und technischen Herausforderungen bei Online-Praktika unverzichtbar ist. Auch drängen sich bei der Gestaltung der Online-Praktika die vielfältigen Parallelen zur Gestaltung der Homeoffice-Lösungen auf. Dies betrifft vor allem Widersprüche zwischen hoher Autonomie und dem Wunsch nach stärkerer Koordination und Führung, das Erfordernis einer intensiven und regelmäßigen, formalen und informalen, Kommunikation sowie einem aktiven Umgang mit den Gefahren für die Psyche der Betroffenen aufgrund sozialer Isolation. Für Online-Praktika müssen hier zum Teil eigenständige Lösungen gefunden werden, weil es bei ihnen um die Aneignung von Kompetenzen in einem festgelegten Zeitraum im Rahmen eines Hochschul- beziehungsweise Universitätsstudiums geht.

Was kann aus den ersten Erfahrungen gelernt werden? Unternehmen sollten künftig verstärkt die Besonderheiten von Online-Praktika in ihren Planungen und bei der Gestaltung dieser Praktika berücksichtigen. Dazu gehört neben der Schaffung der erwähnten technischen und organisatorischen Voraussetzungen für eine regelmäßige Kommunikation in erster Linie die Auswahl und das Training geeigneter Ansprechpartner für die Praktikanten. Letztlich dürfte es um die Entwicklung und Etablierung einer besonderen Kultur der Online-Zusammenarbeit und -Betreuung von Praktikanten gehen.

Prof. Dr. Peter M. Wald studierte von 1981 bis 1985 und promovierte 1988. Ab 1991 war er im Bereich Human Resources von nationalen und internationalen Unternehmen und ab 2002 als Professor an der HTW Dresden tätig. Seit 2009 ist er Professor für Personalmanagement an der Fakultät Wirtschaftswissenschaft und Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig. Er ist Autor und Co-Autor verschiedener Beiträge zu den Themenbereichen Recruiting/Candidate Experience sowie Arbeit 4.0. In der Forschung interessiert ihn vor allem der Einsatz digitaler Medien bei der Mitarbeiterführung. Prof. Wald ist aktiver Twitterati und bloggt im eigenen Leipziger HRM-Blog.

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