Stay-Interview – das bessere Austrittsgespräch

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Was ein Stay-Interview ist, wie es umgesetzt wird und warum Stay–Interviews die besseren Austrittsgespräche sind, erklärt Rebecca Taylor-Clarke, Global Head of People bei Recruitee.

In den USA haben bereits Millionen von Menschen ihren Job wegen pandemiebedingten Burnout oder allgemeiner Unzufriedenheit gekündigt. Der als “Great Resignation” bekannte Trend verstärkt den bereits vorherrschenden Fachkräftemangel zusätzlich. Mit sogenannten “Stay-Interviews” können Unternehmen die Unzufriedenheit ihrer Belegschaft frühzeitig erkennen und mit entsprechenden Maßnahmen gegensteuern.

Gehen oder Bleiben: das ist die Frage

In Zeiten des Fachkräftemangels erhalten Top-Talente ständig Angebote von anderen Unternehmen. Arbeitgeber sind daher darauf bedacht, ihren Angestellten ein bestmögliches Arbeitsumfeld zu schaffen, um sie langfristig an sich zu binden. Aber woher sollen Personalerinnen / Personaler wissen, was die Mitarbeitenden bewegt, ohne mit ihnen im engen Austausch zu stehen? Stay-Interviews können diese exklusiven Einblicke in die Arbeitswirklichkeit geben und Personalerinnen / Personalern helfen, das Klima im Unternehmen ständig zu verbessern. In den Gesprächen dreht sich dabei alles um die Frage “Wenn Du jetzt kündigen würdest, was wäre der Grund?”.

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Warum Stay-Interviews?

Beim Austrittsgespräch nach einer erfolgten Kündigung geht es vor allem um die Frage, warum gekündigt wurde und welche Verbesserungsvorschläge austretende Mitarbeitende beisteuern können. Doch die befragte Person ist zeitnah nicht mehr Teil des Unternehmens, kann an den Veränderungen nicht mehr teilhaben und das Feedback nützt ausschließlich der zukünftigen Belegschaft.

Es ist daher besser, Mitarbeitende in Stay-Interviews kontinuierlich nach Feedback und Verbesserungsvorschlägen für die Zusammenarbeit zu fragen und Probleme zu identifizieren, bevor sie das Unternehmen verlassen.

Wie führe ich ein Stay-Interview durch?

Ein Stay-Interview sollte 20 bis 30 Minuten dauern und auf jeden Fall einen informellen Charakter haben, damit Angestellte auch wirklich offenes und ehrliches Feedback geben können – vorab sollten daher auch keine Fragen gestellt werden. Wichtig ist jedoch, dass das Gespräch als ein “Stay-Interview” angekündigt wird, die Angestellten also nicht überrascht werden, sondern wissen, was auf sie zukommt.

Am besten führen Arbeitgeber mit allen Mitarbeitenden Stay-Interviews. Da dafür leider häufig die Ressourcen fehlen, sollte der Fokus zunächst auf einzelnen Rollen oder Abteilungen liegen. Personalerinnen / Personaler können sich zum Beispiel überlegen, welche Positionen besonders wichtig für das Unternehmen sind und welche Austritte besonders gravierende Folgen hätten.

Stay-Interviews sollten kontinuierlich geführt werden und im besten Falle aufeinander aufbauen. Unternehmen können sich hierbei gut an Entwicklungsgesprächen orientieren, die wir bei Recruitee beispielsweise zweimal im Jahr durchführen. Entwicklungsgespräche und Stay-Interviews sollten jedoch voneinander getrennt geführt werden, da sonst Druck entstehen und die Interview-Situation als zu gezwungen empfunden werden kann.

Welche Fragen stelle ich in einem Stay-Interview?

Inhaltlich sollten im Stay-Interview die Faktoren in den Fokus rücken, die für den Verbleib im Unternehmen entscheidend sind, wie negative Erfahrungen, die Einschätzung der Unternehmenskultur, den Benefits und dem Gehalt. Konkrete Fragen könnten zum Beispiel folgende sein:

Zur Position

  • Wie fühlst du dich in deiner Rolle?
  • Wirst du ausreichend gefördert und gefordert?
  • Welche Talente von dir bleiben noch ungenutzt?
  • Welche langfristigen Karriereziele hast du?
  • Wenn es eine Sache gäbe, die du in deinem Job ändern könntest, was wäre das?

Zur Unternehmenskultur und zum Umfeld

  • Warum bleibst du bei uns?
  • Wie erlebst du unsere Unternehmenskultur?
  • Wie können wir unsere Unternehmenskultur verbessern, was würdest du ändern?
  • Wie gut funktioniert deine Work-Life-Balance?
  • Was wäre ein Grund, dich nach einer neuen Herausforderung/Stelle umzuschauen?

Was geschieht mit den Ergebnissen der Stay-Interviews?

Nach den Stay-Interviews müssen die Ergebnisse strukturiert, priorisiert und bewertet werden, damit sie in konkrete Maßnahmen übertragen werden können. Damit klar wird, ob es sich bei den angesprochenen Problemen um Einzelfälle oder einen größeren Trend handelt, müssen die Antworten aus allen Gesprächen gebündelt und durch Daten aus weiteren Formaten ergänzt werden. Über Softwarelösungen für Mitarbeiter-Engagement und -Feedback kann Feedback von Angestellten für ein grundlegendes Stimmungsbild zusätzlich auch digital eingeholt werden.

Die so gewonnenen Informationen können wiederum für gezieltere Fragestellungen genutzt werden. Anschließend können Personalerinnen / Personaler dann (wiederkehrende) Themen, wie mangelnde Diversität, fehlende Entwicklungsperspektiven oder negative Wahrnehmungen und Erfahrungen mit der Unternehmenskultur priorisieren.

Bei der Umsetzung der konkreten Maßnahmen, zum Beispiel in Bezug auf die Ausstattung im Homeoffice oder allgemeine Überlastung, müssen alle relevanten Akteure im Unternehmen mit einbezogen werden. Wichtig dabei: Die Inhalte der Stay-Interviews müssen weiterhin vertraulich und anonym gehalten werden.

Fazit: Stay-Interviews wirken

Unternehmen sollten die Stay-Interview mit ihren Angestellten nur führen, wenn sie auch wirklich an einer positiven Veränderung der Unternehmenskultur und des Arbeitsalltags interessiert sind. Denn nur, wenn das Feedback auch wirklich in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden, fühlen sich die Angestellten auch wirklich gehört und wertgeschätzt.

Wie erfolgreich Stay-Interviews sein können und wie gut diese die bestehenden Employee-Retention-Maßnahmen ergänzen, lässt sich auch in Zahlen ausdrücken: Bei Recruitee konnten wir zum Beispiel unsere Fluktuationsrate von 22 Prozent in 2020 auf 18 Prozent in 2021 senken – und das während der Pandemie.

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Foto Rebecca Taylor-Clarke

Rebecca Taylor-Clarke ist Head of People bei Tellent. Mit vielen Jahren Erfahrung im Recruiting und Bewerbermanagement wird sie von ihrer Leidenschaft angetrieben, Menschen und interessante Möglichkeiten zusammenzubringen, großartige Teams aufzubauen und inklusive Arbeitsplätze zu schaffen, die Freude bringen.

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