Mitarbeiterfluktuation: Das Grauen der Personalarbeit?

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Hat Mitarbeiterfluktuation auch positive Seiten? Wie viel ist zu viel? Und: Lässt sie sich zielgerichtet steuern? Antworten gibt Tarek El-Dabbagh, Chief Human Resources Officer bei Infoniqa.

Das Ende des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Pensionierung oder Berentung, Restrukturierungen innerhalb der Firma, des Todes eines Arbeitnehmers, einer Kündigung aufgrund eines besseren Arbeitsangebots oder aus privaten Gründen – es gibt viele Gründe, warum Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter ein Unternehmen verlassen und durch neue ersetzt werden müssen.

Aber auch eine positive Wirtschaftslage kann dazu führen, dass Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer ihren aktuellen Arbeitsplatz verlassen. Gleiches gilt für einen hohen Workload oder das falsche Tätigkeitsfeld. Zudem führen fehlende Perspektiven in punkto Weiterentwicklung und nächste Karriereschritte dazu, dass Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter kündigen.

Gibt es eine gesunde Fluktuationsrate?

Fluktuation ist ein natürlicher Vorgang in einem Unternehmen. Ist die Fluktuationsrate jedoch zu hoch, lässt dies Probleme bei der langfristigen Bindung von Mitarbeiterinnen / Mitarbeitern vermuten. Viele Unternehmen stellen sich deshalb auch die Frage: Wie viel Fluktuation ist normal und wie viel ist zu viel?

Diese Frage lässt sich nicht einfach beantworten. Denn es ist schwierig, eine optimale Fluktuationsrate zu berechnen – Mitarbeiterfluktuationsraten können von Branche zu Branche stark variieren. In Bereichen, wie beispielsweise der Bau- oder Eventbranche, in denen jahreszeitlich bedingt teilweise nicht gearbeitet werden kann, ist die Mitarbeiterfluktuation höher als in sehr statischen Bereichen. Aber auch in anderen Bereichen wie der Arbeitnehmerüberlassung, dem Gastgewerbe oder in der Land- und Forstwirtschaft ist die Fluktuationsquote heterogen.

Deshalb ist es notwendig, die Mitarbeiterfluktuation kontextbezogen zu bewerten. Dabei ist der gesamte Personalbestand zu beachten, denn ein Verlust in einem kleinen Team ist oftmals viel schwerer aufzufangen als Abgänge in einem größeren Unternehmen.


Was ist die Fluktuationsrate und wie wird sie berechnet?

Die Fluktuationsrate stellt die Veränderungen des Personals im Unternehmen dar. Sie wird in der Regel jährlich erhoben. Eine hohe Rate lässt Probleme bei der langfristigen Bindung von Mitarbeiterinnen / Mitarbeitern vermuten.

Fluktuationsrate = Mitarbeiterabgänge / Mitarbeiterzahl * 100

In Deutschland liegt die Fluktuationsrate seit Jahren auf einem ähnlichen Niveau, nämlich bei knapp über 30 Prozent. Allerdings ist sie aufgrund der Coronapandemie deutlich gesunken – nämlich von 33,1 Prozent in 2019 auf 29,8 Prozent im Jahr 2020. Das belegen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Ende 2020 hat sich dieser Trend laut der Bundesagentur für Arbeit jedoch wieder stabilisiert.


Warum ist eine hohe Fluktuation ein schlechtes Zeichen?

Die Mitarbeiterfluktuation hat in der Regel hohe Kosten zur Folge, denn für scheidende Kolleginnen / Kollegen muss Ersatz gesucht werden. Dies geht einher mit kostenpflichtigen Stellenausschreibungen sowie Interviews, Assessment Centern und Einstellungsgesprächen. Darüber hinaus fallen Kosten für das Onboarding an. Während zunächst meist eine zeitaufwändige Einarbeitung notwendig ist, die die Ressourcen der bestehenden Belegschaft verringert, sind neue Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter in der Anfangsphase meist nur eingeschränkt produktiv.

Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben neue Blickwinkel

Allerdings ist diese Betrachtungsweise nur eine Seite der Medaille. Denn eine gesunde Mitarbeiterfluktuation kann auch ihre positive Seite haben: nämlich dann, wenn Low-Performer gegen High-Performer ausgetauscht werden. Das bietet die Chance, frei gewordene Positionen mit Personen zu besetzen, die zur mittel- bis langfristigen Unternehmensstrategie besser passen. Denn Personalwechsel haben oftmals eine erneuernde Wirkung innerhalb eines Unternehmens. Neuzugänge kommen mit einem unverstellten Blick in den Betrieb und haben nicht selten innovative Ideen, die sehr bereichernd sind.

Grafik Mitarbeiterfluktuation

 

Dauerhaft hohe Fluktuationsrate durch zu viele Kündigungen

Kritisch wird es aber an dem Punkt, an dem die Fluktuationsrate dauerhaft zu hoch ist und das verbleibende Personal darunter leidet, weil es beispielsweise durchgängig Mehrarbeit leisten muss. Dann sinkt früher oder später die Motivation und ein Teufelskreis nimmt seinen Lauf: Die Fluktuationsrate steigt weiter, weil die Bindung der verbleibenden Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer wegen des gestiegenen Drucks abnimmt. Eine solche Abwärtsspirale kann für Betriebe existenzgefährdend sein. Besonders kritisch ist das für Unternehmen, die sich in ausgedünnten Arbeitsmarktbereichen bewegen, in denen der Fachkräftemangel bereits Spuren hinterlassen hat. Hier ist es besonders schwer, Stellen in angemessener Zeit wieder zu besetzen.

Mitarbeiterfluktuation gezielt steuern

Arbeitgeber sollten daher versuchen, ihre Mitarbeiterfluktuation gezielt zu steuern und nicht nur offene Stellen wieder neu zu besetzen. Dafür gibt es verschiedene Maßnahmenpakete, die sich schnüren lassen. Der entscheidende Faktor ist das Invest in die Mitarbeiterbindung.

Dazu müssen Betriebe Bedingungen schaffen, bei denen sich ihre Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter wohlfühlen. Ausschlaggebend sind beispielsweise Aspekte wie ein angemessenes Gehalt, flexible Arbeitszeiten, gute Karrieremodelle oder Home-Office. Insbesondere die Work-Life-Balance spielt heutzutage eine entscheidende Rolle, um Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter zu binden.

Top-Unternehmen initiieren deshalb Freizeit- und Sportangebote, After-Work-Events oder Sabbaticals und ermöglichen einen flexiblen Arbeitsort. Ebenso stellen sie eine Kinderbetreuung zur Verfügung oder unterstützen bei haushaltsnahen Dienstleistungen. Dazu arbeiten sie an ihrem Employer Branding, halten ihre Werte hoch und sorgen dafür, dass Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter Zukunftschancen und Aufstiegsmöglichkeiten sehen. Außerdem lautet das Zauberwort: Wertschätzung. Denn wer sich wertgeschätzt fühlt und sich gleichzeitig mit den Werten eines Unternehmens identifiziert, empfindet die Bindung an den Arbeitgeber deutlich intensiver und möchte vielleicht sogar etwas zurückgeben.

Erfragen Unternehmen die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter im Hinblick an einen optimalen Arbeitsplatz und leiten daraus entsprechende Maßnahmen ab, erhöhen sie damit die Zufriedenheit sowie Loyalität ihrer Belegschaft und sorgen für eine langfristige Mitarbeiterbindung.

Weiterbildungsangebote schaffen

Viele Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer sind darüber hinaus an guten Weiterbildungsangeboten interessiert. Das erhöht nicht nur die Qualifikationen der Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter, sondern demonstriert auch Wertschätzung. Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter, die sich weiterentwickeln können, wechseln seltener den Arbeitgeber. Davon profitiert das gesamte Unternehmen, dies gilt sowohl für Führungskräfte als auch für alle anderen Angestellten.

Auch eine optimale Nachfolgeplanung spielt eine entscheidende Rolle, um einer hohen Mitarbeiterfluktuation vorzubeugen. Unternehmen sollten deshalb stets im Blick behalten, wann ein/e Arbeitnehmer / Arbeitnehmerin zum Beispiel wegen Mutterschaft oder Rente ausscheidet, um frühzeitig eine Vertretung oder Nachfolger/-in zu suchen. Dann gelingt in der Regel eine nahtlose Übergabe der Aufgaben. Und Frust in der Mitarbeiterschaft wegen anfallender Mehrarbeit entsteht erst gar nicht.

Darüber hinaus sollten Unternehmen die eigenen Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter im Blick behalten und ihre Zufriedenheitswerte regelmäßig analysieren. So wird ersichtlich, ob sich ihre Belegschaft noch an die Firma gebunden fühlt oder Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter schon auf dem Sprung zum nächsten Job sind. Gleichzeitig sind diese Umfragen nützlich, um Verbesserungsvorschläge einzuholen. Diese sollten dann natürlich auch umgesetzt werden.

Dank dieser Maßnahmen können Unternehmen die Mitarbeiterbindung erhöhen und die Fluktuation senken, was insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels von entscheidender Bedeutung ist. Denn sowohl die Mitarbeiterbindung als auch eine gesunde Mitarbeiterfluktuation wirken entscheidend auf den Unternehmenserfolg ein.

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Foto Tarek El-Dabbagh

Tarek El-Dabbagh verantwortet als CHRO bei Infoniqa länderübergreifend alle Personalbelange. Seit 20 Jahren in der HR-Leitung aktiv, blickt El-Dabbagh auf Stationen im HR-Management bei Vivatis, als Partner bei Iventa, als Director Human Resource Management bei Silhouette International sowie als Director Human Resources bei der Pappas Gruppe.

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