Navigieren durch die Rezession: Neue Wege für HR

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Quereinsteiger sind kein Risiko mehr. Und: Die Neubesetzung von Positionen bietet Chancen, sich am Veränderungsbedarf zu orientieren. Alexander Wilhelm, Managing Partner bei InterSearch Executive Consultants, beschreibt, wie Unternehmen und HR durch die Rezession navigieren können. Neue Wege für HR sind gefragt. Offenheit für die Generation 55plus zählt dazu. Keine Option: Neue Stellen gar nicht erst zu schaffen.

Die aktuelle Rezession hat Auswirkungen auf Unternehmen und ihre Personalabteilungen. Große Konzerne wie SAP, Bosch, ZF, Bayer, Google und Ebay planen offensichtlich Stellenstreichungen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Unternehmen möchten ihre Strukturen neu ausrichten oder Kosten sparen, bedingt durch die schwache Konjunktur und die weltweit angespannte wirtschaftliche Lage.

Unsere Kundinnen / Kunden äußern häufig Kritik an den hohen Energiepreisen und der Bürokratie in Deutschland. Hinzu kommen hohe Steuern, Personalkosten, fehlende Planungssicherheit und steigende Forderungen seitens der Mitarbeitenden, die sich nicht jedes Unternehmen leisten kann. Gleichzeitig verschärft sich der Fach- und Führungskräftemangel, da in den kommenden Jahren viele erfahrene Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter in Rente gehen.

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Diese Tatsache wird bereits jetzt für den Stellenabbau genutzt. Ein aktuelles Beispiel scheint das Traditionsunternehmen Stihl zu sein, wie zumindest zahlreiche Medien erst kürzlich berichteten. Eine rechtzeitige Nachfolgeplanung, – mit oder ohne Unterstützung einer Personalberatung – sollte daher mit hoher Priorität verfolgt werden.

Manch ein Unternehmen schafft also Stellen im Ausland oder rekrutiert verstärkt im Ausland. Für die Unternehmensleitung ist dies ein Drahtseilakt: Einerseits müssen Mitarbeitende entlassen werden, andererseits werden anderswo neue Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter eingestellt. Wenn internationale Standorte ausgebaut werden, müssen die Risiken einer langen und verzweigten Lieferkette sowie die Sicherung der Lieferfähigkeit berücksichtigt werden. Es ist ratsam, Standorte innerhalb Europas aufzubauen, anstatt in Übersee zu expandieren (Stichwort „Local for Local“).

Orientierung am Veränderungsbedarf

Navigieren durch die Rezession: Neue Wege für HR
Twenty20/@vegasworld

Führungskräfte sollten kulturell zum Unternehmen passen und offen dafür sein, notwendige Veränderungsprozesse voranzutreiben. Das wird in Zukunft immer wichtiger sein, erfordert aber eine offene Unternehmenskultur. Auf die Suche nach der perfekten Lösung sollten Sie künftig besser verzichten. Anstatt sich ausschließlich auf Fähigkeiten und das Kandidatenprofil zu konzentrieren, sollte die Positionsnachbesetzung als Chance betrachtet werden, sich am Veränderungsbedarf zu orientieren.

Eine enge Begleitung während des Onboarding-Prozesses ist notwendig und das Team muss fachlich gut aufgestellt sein. Führungswille, Persönlichkeit, Ausstrahlung und Gestaltungswille sind dabei entscheidend. Wenn es teils am „letzten“ fachlichem Wissen mangelt, sollte die Persönlichkeit umso mehr überzeugen.

Quereinsteigerinnen / Quereinsteiger sind keine riskante Wahl

Envato/Rawpixel

In Zeiten des Fachkräftemangels und Stellenabbaus sind Quereinsteiger keine riskante Wahl mehr. Im Gegenteil, es ist zu begrüßen, wenn Unternehmerinnen und Unternehmer neue Wege gehen. Das Risiko, nichts zu verändern, ist größer als die Gefahr, mit einem Quereinstieg zu scheitern. Wer immer nur versucht, Fehler zu vermeiden, entwickelt sich nicht weiter. Personen, die stets die gleichen Aufgaben bearbeiten, könnten in einem starren Denken verhaftet sein und Veränderungen nicht leicht akzeptieren.

Frischer Wind kann helfen, die Perspektive zu wechseln und neue Ideen ins Unternehmen zu bringen. Es ist wichtig, Veränderungen zuzulassen. Außerdem sollte beachtet werden, dass fachliches Wissen allein nicht ausreicht, um eine gute Führungskraft zu sein. Nicht selten hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass eine fachlich perfekte Führungskraft nicht in jeder Führungsrolle ideal besetzt war.

Neue Wege für HR: Offen für die Generation 55plus

Foto Menschenmenge
Envato/bialasiewicz

Ich kann mich noch gut an meine ersten Jahre in der Personalberatung erinnern, dies ist immerhin 23 Jahre her. Wie oft kam von Kunden die Bitte „unter 50, eher Anfang 40 Jahre alt“. Dies hat sich glücklicherweise im Laufe der Jahre gelegt. Es ist erfreulich, dass Unternehmen nun auch offener für die Generation 55+ sind. Gerade bei Führungskräften sind erfahrene Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter gefragt. Es gibt kein „Alt“ mehr, sondern Erfahrung oder weniger Erfahrung. Viele 60-Jährige sind genauso fit wie früher 50-Jährige. Wenn ein erfahrener Mitarbeiter einen jüngeren Kollegen fünf bis sieben Jahre lang einarbeiten kann, ist dies für das Unternehmen vorteilhafter, als zwei Jahre auf eine Wunderlösung zu warten.

Lassen Sie mich zwei Beispiele geben. Vor wenigen Monaten hat ein international tätiges Unternehmen eine 59-jährige Kandidatin als „Head of International Tax“ besetzt. Ihre langjährige Expertise überzeugte. Oder ein produzierender Mittelstand, welcher an einem Standort einen ambitionierten jungen Produktionsleiter hatte, dieser aber noch nicht für die Werkleitung bereit war. Ein knapp 61-jähriger Werkleiter wurde der Kandidat der Wahl mit dem Ziel, in wenigen Jahren dem jungen Kollegen die Führung zu übergeben. Hierbei blieb das Ziel offen, ob der neue Werkleiter bis Mitte 60 oder 67 an Bord bleibt, dies ist/war abhängig vom Produktionsleiter.

Die Beispiele zeige: Viele ältere Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter sind auch nach dem offiziellen Rentenalter bereit, einige Tage in der Woche zu arbeiten und ihre Erfahrung einzubringen. Warum also nicht ein „jung-alt“ Tandem bilden wie geschildert? Wenn beispielsweise ein Elternteil für eine begrenzte Zeit (Hausbau, Kinderbetreuung, Pflege der Eltern usw.) weniger arbeiten möchte, könnte sich ein ideales Team bilden.

Jetzt für die Zeit „danach“ vorbereiten

Frau mit Fernglas
Twenty20/@santyphotography

Trotz Rezession warne ich davor, neue Stellen gar nicht erst zu schaffen. Es ist wichtig, vorausschauend zu denken. Wer zu spät mit Neubesetzungen beginnt, läuft Gefahr, noch länger warten zu müssen und den Zug in Richtung Transformation zu verpassen. Jetzt ist die Zeit, um sich für die Phase nach der Stagnation oder Rezession zu wappnen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die aktuelle Rezession Unternehmen und ihre Personalabteilungen vor große Herausforderungen stellt. Es ist wichtig, flexibel zu sein und sich den Veränderungen anzupassen. Unternehmen sollten offen sein für neue Wege und Quereinsteiger. Erfahrene Mitarbeiter sollten nicht unterschätzt werden und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Generationen kann sehr fruchtbar sein. Es ist entscheidend, rechtzeitig auf Veränderungen zu reagieren und den Zug in Richtung Transformation nicht zu verpassen.

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Alexander Wilhelm ist Managing Partner bei InterSearch Executive Consultants GmbH in Frankfurt. Er berät vor allem nationale und internationale Unternehmen aus der Industrie – insbesondere aus der Automotive-, Chemie-, Kunststoff- und der Energie-Branche, dem Maschinenbau sowie dem Öffentlichen Sektor. Hier zählen sowohl Executive Search, Coaching von Führungskräften als auch Unternehmensnachfolge zu seinen Kernkompetenzen. © Foto: InterSearch Executive Consultants GmbH

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