KI in HR – zwischen Liebe und Katastrophe

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KI in HR – was ist das? Willfähriger Helfer oder gefräßiges Monster, das Teilen von HR mittelfristig den Berufstod beschert? Sylvia Edmands, CEO bei talentee, meint: Cool bleiben. Denn KI in HR bleibt ein Sekundärtool. Über die Grenzen einer viel diskutierten Technologie.

KI ist wie Liebe und Klimakatastrophe. Man sieht sie nicht, man hört sie nicht, man schmeckt sie nicht – spürt aber die Folgen. Und kluge Köpfe philosophieren seit jeher darüber. Seit Adam und Eva, der Entdeckung des Ozonlochs, seit das von IBM entwickelte System Deep Blue im Jahr 1997 den Schach-Weltmeister Garri Kasparov in sechs Partien schlug – einer der Meilensteine der KI.

Natürlich gibt es Unterschiede: Liebe (nicht zu verwechseln mit Liebeskummer) ist im Allgemeinen deutlich positiv konnotiert, die Klimakrise eine große Katastrophe. Und KI? Liegt, so der aktuelle Stand der Debatte, irgendwo dazwischen. Ja, es wird Menschen arbeitslos machen, ganze Berufsbilder werden verschwinden. Auf der anderen Seite nimmt sie uns auch ehemals lästige Tätigkeiten ab. Auch im Recruiting.

Das Beantworten von Standardfragen im Recruiting-Prozess? Macht die KI. CV Parsing, also das automatisierte Auslesen von relevanten Daten aus Lebensläufen? Macht die KI. Eine Vorauswahl der Bewerberinnen und Bewerber treffen? Macht die KI. Auch Vorstellungstermine organisieren, Stellenanzeigen texten, Kandidaten und Kandidatinnen im Assessmentcenter (mit) bewerten – all diese Tätigkeiten wird die künstliche Intelligenz übernehmen oder uns zumindest große Teile davon abnehmen. Und das geht natürlich nach dem Hiring so weiter.

KI wird prognostizieren können, wann Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter die Lust am Job verlieren, auf dem Absprung sind, welche Karriereoption sie anstreben – das hilft ganz wesentlich die Fluktuation zu drücken und Know how im Unternehmen zu halten. Und ja, KI wird auch unerbittlich die Underperformer erkennen. Ein enormes Asset für all die effizienzgetriebenen Unternehmen (und wer zählt heutzutage nicht dazu).

Die Unscheinbaren übersieht die KI

Doch spätestens hier sind dann auch die Grenzen von KI in HR erkennbar: Wir Menschen sind keine Technologie. Die Debatte um das Für und Wider von Homeoffice hat gezeigt, dass Arbeit mehr ist als das möglichst effiziente Abhaken von Tasks. Der Kaffeeplausch in der Büroküche, die gemeinsamen Brainstormings vor Ort, das kollektive Ploppen der Bierflaschen nach einem (zu) langen, aber dennoch erfolgreichen Arbeitstag. All das schweißt zusammen.

Es sind nicht immer die dominanten Leader, die diesen sozialen Kit in den Teams herstellen. Im Gegenteil. Das bewährte DISG-Modell hält 16 unterschiedliche Typen parat – vom Vorreiter (rot-gelb) bis zur Praktikerin (grün-blau-gelb). Übersehen werden dabei häufig die eher Unscheinbaren in der Mitte (Helferin/Bewahrer). Dabei sind es gerade die, die so oft die Balance in den Organisationen herstellen und halten. Technokratisch formuliert: den sozialen Benefit von Menschen für erfolgreiche Teamarbeit kann bisher noch keine KI diagnostizieren.

KI optimiert die Zusammensetzung der Teams?

Man mag an dieser Stelle einwenden, dass Teamzusammensetzungen mithilfe von KI viel besser gelängen, ganz einfach, weil die digitalen Helfer Bewerberinnen und Bewerber exakt klassifizieren können. Persönlich glaube ich allerdings, dass Personaldiagnostik hier an ihre Grenzen stößt. Aus zwei Gründen – der erste: Vor allem Managerinnen / Manager haben sich ein Verhalten antrainiert, von dem sie glauben, es sei zielführend. Es ist häufig nicht ihr eigenes, sondern das für den Job notwendige – Stichwort soziale Erwünschtheit.

Ein Beispiel: Auf die Frage nach persönlichen Schwächen greifen Bewerbende häufig auf Antworten zurück, von denen sie glauben, sie träfen eher auf soziale Zustimmung (Perfektionismus, Ehrgeiz etc.). Klafft hier eine zu große Lücke, führt das zu großer persönlicher Unzufriedenheit und manchmal zu echten Lebenskrisen. Die rasant steigenden Zahlen von psychischen Erkrankungen im Job ist ein Indiz, dass das bei nicht wenigen der Fall ist.

Der zweite: Die Zeiten und Rahmenbedingungen ändern sich aktuell immer schneller – und damit auch das Anforderungsprofil von Managerinnen und Managern: gestern noch Visionär, heute Konsolidierer, morgen Sanierer und übermorgen? Die Zahl der relevanten Parameter ist kaum mehr zu erfassen. Weitblick, persönliche Erfahrung und vor allem Intuition sind gerade in solchen wirtschaftlichen Situationen also essentiell für die Unternehmen und ihre Personalplanung und –entwicklung. Eigenschaften, die eine KI unmöglich erschließen kann.

Sympathie häufig wichtiger als Fachwissen

Entsprechend bleibt KI in HR ein Sekundärtool. Denn die künstliche Intelligenz erkennt Skills, aber keine Faktoren wie Charisma, Charme, Witz und Einfühlungsvermögen. Doch die sind häufig ganz entscheidend. Schon beim Hiring: Karriereberater / -innen meinen, zu 60 bis 80 Prozent entscheidet der Persönlichkeitsfaktor, ob der Bewerber oder die Bewerberin die Stelle bekommt. Ich finde: Gut so, denn die meisten von uns sehen ihre Teammates in einer normalen Woche öfter als ihren Partner oder Partnerin (wenn sie nicht überwiegend im Homeoffice arbeiten). Beide möchte man aus nachvollziehbaren Gründen nicht fremdbestimmt vorgesetzt bekommen.

KI in HR braucht menschliches Gegengewicht

Klar: KI wird aus dem HR-Bereich nicht mehr wegzudenken sein, der Einfluss wird zweifellos weiter steigen. Doch wir müssen zugleich ein sehr menschliches Gegengewicht schaffen – und zwar an zwei entscheidenden Punkten: der Kandidatenauswahl und dem direkten Gespräch. Das wird häufig noch von dem Personalverantwortlichen und dem / der zuständigen Vorgesetzen geführt. Zu wenig, wie ich finde. Viel stärker sollte das Team, also die zukünftigen Kolleginnen / Kollegen, hier mit einbezogen werden. Sie müssen spüren, ob es funkt oder nicht.

Also: Statt im Recruting blind auf rein datenbasierte Tools wie KI zu setzten, sollten Recruiter lieber den menschlichen Aspekt wieder hervorheben und Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter stärker mit einbeziehen – das ist vielleicht im ersten Schritt zeitintensiver, dafür aber sicherlich langfristig nachhaltiger. Denn Teams, die gut matchen, bleiben dem Unternehmen länger erhalten.

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Foto Sylvia Edmands

Sylvia Edmands ist seit November 2022 CEO der Karriereplattform „talentee“. Als Chief Operating Officer hat sie zuvor schon zwei Jahre lang das operative Geschäft des Unternehmens aufgebaut und ist Teil des Gründungsteams. Die HR-Expertin besitzt langjährige Management-Erfahrung in den Bereichen Produktmanagement, Marketing und Vertriebsstrategie, Telekommunikation und Digitalisierung. Vor ihrem Einstieg bei talentee zeichnete die studierte Betriebswirtin bei der Karriereplattform Monster als Managing Director DACH verantwortlich.

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