Smarte Software & KI: Worauf Sie achten sollten

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Unternehmen greifen im Recruiting zunehmend auf smarte Software und KI zurück. Kristian Kretschmann von rexx systems erklärt, worauf Sie dabei achten sollten.

Ob Chatbots, autonomes Matching, das Sortieren von Bewerbungen durch ATS-Programme (Applicant Tracking System, Bewerbermanagementsystem) oder die Erstellung eines Persönlichkeitsprofils auf Basis von Stimmanalysen – im HR-Bereich gibt es inzwischen eine Vielzahl von Möglichkeiten, mit smarter Software und Künstlicher Intelligenz (KI) Personaler im Recruiting-Prozess zu unterstützen.

Gerade durch den Fachkräftemangel wird es für viele Unternehmen immer schwieriger, geeignetes Personal zu finden. Softwareprogramme helfen nicht nur dabei, geeignete Kandidaten mit der passenden Qualifikation für eine ausgeschriebene Stelle zu finden. Sie können im Gegensatz zu Menschen tausende von Bewerbungen in kurzer Zeit sichten. Zudem gehen sie objektiv und ohne Vorbehalte vor und treffen eine Vorauswahl von Bewerbern ausschließlich auf Grundlage von Fakten.

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Ein weiterer Vorteil: Sie beantworten flexibel rund um die Uhr in mehreren Sprachen Standardfragen auf Karriere-Webseiten. Nicht zuletzt entlasten sie Mitarbeiter in der Personalabteilung von Routinetätigkeiten, sodass diese mehr Zeit haben, um mit den Bewerbern und Mitarbeitern direkt zu interagieren.

Herausforderungen durch den Einsatz smarter Software im Recruiting

Einsatz von Chatbots

Ob Computerprogramme in Zukunft tatsächlich Vorgespräche führen können und Entscheidungen bei der Einstellung von Mitarbeitern treffen, scheint aktuell unwahrscheinlich. Auch, wenn die Software-Tools wertvolle Unterstützung bieten, stoßen sie an bestimmten Stellen an ihre Grenzen. Während Chatbots kaum komplexere Fragen wie etwa zur Unternehmenskultur oder Work-Life-Balance beantworten können, berücksichtigt entsprechende Software bei der Bewerberauswahl nur vorgegebene Kriterien zu den fachlichen Qualifikationen.

Kreativität bei der Gestaltung von Bewerbungen sowie Quereinsteiger oder Bewerber, die nicht die fachlichen Voraussetzungen erfüllen, aber einen interessanten und vielversprechenden Lebenslauf aufweisen, berücksichtigt die KI nicht. Sie kann nicht entscheiden, ob ein Bewerber auch menschlich ins Team passt oder aufgrund seiner anderen Perspektive für das Unternehmen einen Mehrwert bieten kann.

Es gibt inzwischen zwar technische Lösungen, die die Persönlichkeit eines Menschen zu erfassen versuchen, etwa durch Mimik und Gestik oder anhand von Stimmanalysen. Diese können aber die Menschenkenntnis und das „Bauchgefühl“ eines erfahrenen Personalers bis dato nicht ersetzen. Nicht zuletzt ergeben sich aufgrund der großen Menge an Daten, die mit dem Einsatz von intelligenter Software einhergehen, Herausforderungen an das Arbeitsrecht und den Datenschutz.

Wie KI-Anwendungen diskriminierungsfrei arbeiten

Foto Jugendliche mit Smartphone

In Hinblick auf das Arbeitsrecht ist so zum Beispiel sicherzustellen, dass der Algorithmus diskriminierungsfrei arbeitet. Das heißt, dass auf Grundlage der Datensätze keine gezielte Auswertung dahingehend erfolgen darf, ob Kandidaten beispielsweise schwanger oder schwerbehindert sind. Das stellt einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz dar.

Wichtig: Solche Fehlentscheidungen müssen im Vorhinein ausgeschlossen werden, indem die Trainingsdaten der KI auf Diskriminierungen untersucht und diese, falls vorhanden, entfernt werden – bevor der Algorithmus damit arbeitet. Wie relevant das ist, zeigt das Beispiel eines großen Versandhändlers: Bei der Bewerberauswahl empfahl der Algorithmus ausschließlich männliche Kandidaten für Führungspositionen, da bislang lediglich männliche Chefs eingestellt wurden. Ein Problem in Bezug auf die Gleichberechtigung und Chancengleichheit.

Die Ergebnisse der KI sind nicht immer vorhersehbar, umso wichtiger ist es, sie auch nach der Implementierung zu überwachen. Darüber hinaus ist beim Einsatz von KI und Big Data in der HR gemäß §§ 87, 94 und 95 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)der Betriebsrat einzubinden, da diese das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer überwachen und der Algorithmus als Personalfragebogen oder Auswahlrichtlinie verstanden werden kann.

Weniger ist mehr: Datenschutz berücksichtigen

Um hohe Bußgelder zu vermeiden, sollte die Implementierung von KI und Software datenschutzkonform erfolgen. Gemäß dem Grundsatz der Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 Lit. c DSGVO) gilt es deshalb, so wenig personenbezogene Daten zu erheben wie nur möglich. Zudem ist die Speicherdauer zu begrenzen und die Daten sind unverzüglich zu löschen, wenn etwa die Ansprache eines Bewerbers erfolglos bleibt. Die automatisierte Entscheidung darüber, ob ein Bewerber für eine bestimmte Stelle eingestellt wird, verstößt aktuell gegen die DSGVO. Das Erstellen eines Persönlichkeitsprofils durch eine Stimmanalyse im Rahmen eines kurzen telefonischen Interviews ist nur bedingt datenschutzrechtlich zulässig – so etwa, wenn der Bewerber freiwillig in das Interview einwilligt.

Tipps für Arbeitgeber bei der KI-Implementierung

Neben den arbeitsrechtlichen und datenschutzrechtlichen Anforderungen sollten Arbeitgeber einige weitere Dinge beachten, wenn es um die Implementierung von KI und smarten Tools in den Recruiting-Prozess geht. Beim Einsatz eines Chatbots etwa sind die Bewerber gemäß dem Transparenzgebot (Art 5 Abs. 1 Lit. a DSGVO) darüber zu informieren, dass sie mit einem Computerprogramm kommunizieren. Transparenz gilt es jedoch auch nach innen zu schaffen. Um Berührungsängste bei den Mitarbeitern abzubauen, sollten die Vorteile aufgezeigt werden, die mit dem Einsatz von KI-Anwendungen im Personalwesen einhergehen.

Wichtig ist es, die Technologie so zu erklären, dass jeder Mitarbeiter sie versteht. Auf der anderen Seite erfordert die Implementierung und der Einsatz von intelligenter Software erfahrene und gut ausgebildete Fachkräfte, die kreativ, teamfähig und kommunikativ sind. Zudem sollten Arbeitgeber darauf achten, dass die technischen Lösungen im Einklang mit den Unternehmenswerten stehen. Hier kann ein digitaler Ethikplan hilfreich sein, der Aufgabenbereiche und Grenzen des Algorithmus‘ aufzeigt sowie Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten in der Belegschaft definiert.

Photos: ©Twenty20/@thanmano / ©Envato/Rawpixel

Kristian Kretschmann ist HR Specialist und Marketing Manager bei rexx systems. Sehr populär ist der hauseigene Corporate Podcast „Rexxperts“, bei dem Kristian Kretschmann als Host fungiert und mit wechselnden Gesprächspartnern zu den Themen Talent Management, Recruiting und Human Resources spricht.

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