Betriebsratswahlen: Neue Regeln für das Wahlverfahren

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Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz hat das Verfahren bei Betriebsratswahlen durch weitere Regeln ergänzt. Kaspar B. Renfordt und Cornelia Schmid erläutern die Rechtslage.

Ausgangslage

Mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz, das zum 18.06.2021 in Kraft getreten ist, und wichtige Änderungen des Betriebsverfassungsgesetzes („BetrVG“) und in der Konsequenz auch in der Wahlordnung („WO“) mit sich bringt, soll die Gründung von Betriebsräten – insbesondere in kleinen Betrieben – gefördert werden. Die neuen Vorschriften, die erheblichen Einfluss auf das Wahlverfahren haben, sind bei den in der Zeit vom 01.03. bis 31.05.2022 anstehenden Betriebsratswahlen zwingend zu beachten. Bei den Änderungen handelt es sich im Einzelnen um folgende:

1. Absenkung des Wahlalters

Das Wahlalter wird vom 18. auf das 16. Lebensjahr abgesenkt, § 7 S. 1 BetrVG. Ziel des Gesetzgebers ist es, auch junge Erwerbstätige über das aktive Wahlrecht zur Betriebsratswahl in die Mitgestaltung der Rahmenbedingungen des Betriebs einzubinden. Für das passive Wahlrecht, die Wählbarkeit, müssen Arbeitnehmer1 weiterhin volljährig sein, § 8 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Das Alter bei aktivem und passivem Wahlrecht fällt damit künftig auseinander.

2. Reduzierung der Stützunterschriften

Mit der Änderung zur Reduzierung der Stützunterschriften für Wahlvorschläge (§ 14 Abs. 4 BetrVG) wird vom Gesetzgeber intendiert, in kleinen und mittleren Betrieben die Gründung von Betriebsräten zu fördern, indem sich zukünftig mehr Beschäftigte bereiterklären, sich der Wahl für den Betriebsrat zu stellen. Arbeitnehmer, die sich bereiterklären anzutreten, oder Arbeitnehmer, die die notwendige Stützunterschrift leisten, könnten Nachteile durch den Arbeitgeber fürchten. Dieser Gefahr wird durch die Reduzierung der Stützunterschriften nun mehr Gewicht beigemessen.

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In Betrieben mit in der Regel bis zu 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern bedarf es keiner Unterzeichnung von Wahlvorschlägen mehr (Zuvor: zwei Stützunterschriften von Arbeitnehmern). In Betrieben mit in der Regel 21 bis 100 Arbeitnehmern sind Wahlvorschläge nun von mindestens zwei wahlberechtigten Arbeitnehmern zu unterschreiben; zuvor war die Unterzeichnung von einem Zwanzigstel der wahlberechtigten Arbeitnehmer erforderlich.

In Betrieben mit mehr als 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern bleibt es hingegen bei dem bisherigen Erfordernis der Unterzeichnung durch mindestens ein Zwanzigstel der wahlberechtigten Arbeitnehmer; in jedem Fall genügt aber die Unterzeichnung durch fünfzig wahlberechtigte Arbeitnehmer.

3. Ausdehnung des vereinfachten Wahlverfahrens

Als weiterer Schritt der Förderung der Bildung von Betriebsräten wurde der Anwendungsbereich des vereinfachten Wahlverfahren ausgedehnt. Das vereinfachte Wahlverfahren kommt für Betriebe mit 5 bis 100 Arbeitnehmern, statt wie bisher für 5 bis 50 Arbeitnehmer, zur Anwendung (§ 14a Abs. 1 BetrVG). In Betrieben mit 101 bis 200 Beschäftigten ist es möglich, dass Arbeitgeber und Wahlvorstand die Durchführung des vereinfachten Wahlverfahrens vereinbaren (§ 14a Abs. 5 BetrVG).

4. Eingeschränkte Anfechtbarkeit wegen Fehlern in der Wählerliste

Schließlich wird die Anfechtbarkeit von Betriebsratswahlen wegen Fehlern in der Wählerliste eingeschränkt, § 19 Abs. 3 BetrVG. Die Vorschrift führt dazu, dass die Rechtssicherheit der Betriebsratswahl gesteigert wird.

Die Anfechtung ist danach für die Arbeitnehmerseite ausgeschlossen, wenn nicht zuvor aus demselben Grund ordnungsgemäß Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt wurde. Einspruch und Anfechtung muss nicht von dem gleichen Arbeitnehmer eingelegt werden, da der Wahlvorstand vor dem vermeintlichen Fehler auf der Wahlliste gewarnt war.

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Der Ausschluss gilt jedoch nicht, wenn die Wahlberechtigten an der Einlegung des Einspruchs gehindert waren.

Im Übrigen schränkt § 19 Abs. 3 S. 3 BetrVG auch das Anfechtungsrecht für die Arbeitgeberseite ein, wenn die Unrichtigkeit der Wählerliste auf seinen falschen Auskünften beruht. Damit soll verhindert werden, dass der Arbeitgeber letztlich aus Gründen anfechten kann, die er selbst zu verantworten hat.

5. Ausweitung des Kündigungsschutzes

Der Gesetzgeber hat den bereits für Betriebsratsmitglieder, Wahlbewerber und Mitglieder des Wahlvorstandes bestehenden besonderen Kündigungsschutz nochmals nicht unerheblich erweitert.

So genießen nunmehr bis zu sechs statt bislang drei Arbeitnehmer, die in einem Betrieb zu einer Betriebsratswahl einladen, oder die ersten drei Arbeitnehmer, die die Bestellung eines Wahlvorstands beantragen, Sonderkündigungsschutz gem. § 15 Abs. 3a Kündigungsschutzgesetz („KSchG“).

Außerdem werden gem. § 15 Abs. 3b KSchG nunmehr auch Arbeitnehmer geschützt, die Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats unternehmen und eine öffentlich beglaubigte Erklärung mit dem Inhalt abgegeben haben, dass sie die Absicht haben, einen Betriebsrat zu errichten. In diesem Fall ist die personen- und verhaltensbedingte Kündigung unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Es sind also weiterhin neben der außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund betriebsbedingte Kündigungen erlaubt.

Da ausweislich der Gesetzesbegründung des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes beispielweise bereits Gespräche mit Kollegen über eine Betriebsratsgründung oder die Kontaktaufnahme zu einer Gewerkschaft zu den vorbereitenden Handlungen vor einer möglichen Betriebsratswahl zählen, sehen wir ein nicht unerhebliches Missbrauchspotential. Ob allein die öffentlich beglaubigte Erklärung geeignet ist, dem Missbrauch tatsächlich Einhalt zu gebieten, wird die Praxis zeigen.

Ausblick und Fazit

Zusätzlich zu den Änderungen durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz wurde nun zudem auch die Wahlordnung zum BetrVG reformiert. Die seit dem 15.10.2021 in Kraft getretene Verordnung zur Änderung der Wahlordnungen sieht diverse Änderungen – zum Beispiel hinsichtlich der Ermöglichung von Video- und Telefonkonferenzen, der Briefwahl, der Präsenzwahl (kein Wahlumschlag mehr erforderlich), der Berichtigung der Wählerliste und den Hinweispflichten des Wahlvorstandes – vor.

Schon in der Vergangenheit war das Verfahren zur Wahl der Betriebsräte kompliziert und fehleranfällig, welches durch die Änderungen durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz und die Verordnung zur Änderung der Wahlordnungen unserer Ansicht nach – trotz der entsprechenden Intention des Gesetzgebers – nicht unbedingt vereinfacht wurde. Jedenfalls sollten sich nicht nur die Wahlvorstände, sondern insbesondere auch die Arbeitgeber dringend mit den neuen Regeln vertraut machen.

Kaspar B. Renfordt, Rechtsanwalt, ist Partner bei Rödl & Partner und leitet dort die im Bereich Arbeitsrecht und HR:Law tätigen Teams der Niederlassungen Köln und Hamburg. Seine Spezialgebiete sind die Beendigung von Arbeitsverhältnissen – insbesondere von Arbeitnehmern (m/w/d) mit langer Betriebszugehörigkeit und/oder besonderem Kündigungsschutz –, die Begleitung bei (streitigen) Verhandlungen mit Arbeitnehmervertretungen, arbeitsrechtliche Restrukturierungen sowie Litigation. Foto ©Rödl & Partner

Cornelia Schmid, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, ist Associate Partner am Nürnberger Standort von Rödl & Partner. Sie begleitet und berät mittelständische und größere Unternehmen umfassend zu allen individual- und kollektivrechtlichen Fragestellungen des Arbeitsrechts. Ihre Spezialgebiete sind Unternehmensumstrukturierungs- und -restrukturierungsprozesse, Outsourcing/Betriebsübergang, Tarifrecht, Vergütungs- und Arbeitszeitmodelle sowie Fremdpersonaleinsatz.

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