Wie Ärztinnen und Ärzte nach einen neuen Job suchen

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82 Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzte sind offen für eine neue Stelle, so eine Studie. Konstantin Degner vom Deutschen Ärzteverlag erläutert, wie potenzielle Arbeitgeber die hohe Wechselbereitschaft zu ihrem Vorteil nutzen können.

Keine Frage – je genauer man seine Zielgruppe kennt, desto besser lassen sich Recruiting-Maßnahmen planen und erfolgreich umsetzen. Dennoch setzen viele Unternehmen eher auf ihr Bauchgefühl als auf handfeste Erkenntnisse. Dabei macht ein genauer Blick auf die Bedürfnisse und Anforderungen gerade bei sehr spitzen Zielgruppen Sinn – so beispielsweise auch bei Ärztinnen und Ärzten.

Jobsuche bei Ärztinnen und Ärzten – und was andere davon lernen können

Im Auftrag des Deutschen Ärzteverlags wurde eine großangelegte Studie zur Jobsuche von Ärztinnen / Ärzten durchgeführt – befragt wurden 3.968 angestellte Ärztinnen / Ärzte in Deutschland. Denn immer näher rückende Altersruhestände, eine steigende Abwanderung ins Ausland und sinkende Wochenarbeitsstunden stellen Krankenhäuser und Medizinische Versorgungszentren vor erhebliche Herausforderungen im Personalmanagement.

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Ein entschlossenes Handeln ist notwendig, um die medizinische Versorgung aufrechtzuerhalten. Das bedeutet auch, dass Arbeitgeber sich auf neue Gegebenheiten einstellen und zukunftsweisende Recruiting-Strategien entwickeln müssen – doch dies gelingt nur mit einem tiefen Verständnis der Zielgruppe.

Überdurchschnittlich hohe Wechselbereitschaft bei Ärztinnen und Ärzten

Jobsuche Ärztinnen und Ärzte
Envato/BrianAJackson

82 Prozent der befragten Ärztinnen / Ärzte sind offen für eine neue Stelle, davon suchen 15,4 Prozent aktiv. Ein Großteil aller Ärztinnen / Ärzte kann als latent suchend bezeichnet werden: Gut zwei Drittel der Befragten (66,6 Prozent) sind nicht aktiv auf der Suche, aber wechselwillig, sofern sie das passende Angebot erhalten. Branchenübergreifend sieht es übrigens auch nicht viel besser aus: Laut aktueller EY-Jobstudie sind 53 Prozent der befragten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer offen für eine neue Stelle – ein nie dagewesener Höchstwert.

Trotz der überdurchschnittlich hohen Wechselbereitschaft bei Ärztinnen / Ärzten schaffen es viele Krankenhäuser und Medizinische Versorgungszentren nicht, diesen Zustand zu ihrem Vorteil zu nutzen. Ein Grund liegt häufig schon ganz am Anfang des Recruitingprozesses: bei der richtigen Kanalauswahl. Statt die verschiedenen Präferenzen der Ärztinnen / Ärzten zu berücksichtigen, setzen viele HR-Abteilungen auf ein standardisiertes „one fits all“. Beispielsweise setzen gerade einmal rund 25,9 Prozent der Ober- und 26,3 Prozent der Chefärztinnen / – Ärzte auf Online-Jobbörsen – dennoch findet man genau dort häufig Stellenausschreibungen für diese Positionen. Print-Anzeigen in medizinischen Fachzeitschriften werden hingegen immer häufiger vernachlässigt, dabei nutzen 80 % aller Ärztinnen / Ärzte diese Quelle, um sich über offene Stellen zu informieren.

Tipp: Die Daten zeigen deutlich, dass ein differenzierter, auf die jeweilige Zielgruppe abgestimmter Ansatz im Recruiting unerlässlich ist. Statt auf standardisiertes Vorgehen zu setzen, sollten Personalverantwortliche die Präferenzen und Gewohnheiten der potenziellen Bewerberinnen / Bewerber in den Mittelpunkt ihrer Strategie stellen und so sicherstellen, dass ihre Stellenausschreibungen auch die gewünschten Kandidatinnen / Kandidaten erreichen.

Forderungen nach mehr Transparenz in Stellenanzeigen

Drei von fünf Befragten (60,3 Prozent) vermissen in Stellenanzeigen Informationen zu Arbeitszeiten und Arbeitsmodellen – beim ärztlichen Nachwuchs sind es gar 67,4 Prozent. Letzteres ist insofern wenig überraschend, als dass die „Generation Z“ bekanntermaßen Treiber neuer Arbeitsformen ist. Knapp jede zweite Person wünscht sich Angaben zum Gehalt, die Quote ist bei den Männern etwas höher (51,8 Prozent) als bei den Frauen (44,5 Prozent).

Tipp: Maximale Transparenz – von Gehalt bis Benefits –, lohnt sich. Sie schafft nicht nur Vertrauen, sondern sorgt bestenfalls auch dafür, dass sich weniger gut passende Kandidatinnen und Kandidaten gar nicht erst bewerben. Und das wiederum spart Personalverantwortlichen ebenso wie Teams viel Zeit und Mühe, die sie stattdessen in die besser passenden Talente investieren können.

Optimierte Bewerbungswege: Einfach, schnell und transparent

Twenty20/@magus

Der Bewerbungsprozess selbst stellt für viele Ärztinnen / Ärzte eine Herausforderung dar: 44,3 Prozent der Befragten fällt es schwer sich die Zeit für Bewerbungen zu nehmen, 35,9 Prozent hat Probleme mit der Formulierung des Anschreibens und 30,4 Prozent fällt die Motivation für den ersten Schritt schwer. Bei den Chef- und Oberärztinnen / – Ärzten hat die Bewerbungsmappe übrigens noch nicht ausgedient: Fast jede/r Fünfte bevorzugt die klassische Bewerbung per Post. Der Ärztenachwuchs hingegen bevorzugt digitale Wege. 40,3 Prozent geben Bewerbermanagementsystemen den Vorrang, jede:r Zweite greift auf die E-Mail zurück.

Interessanterweise würden 50,2 Prozent der Befragten eher eine Bewerbung einreichen, wenn Anschreiben nicht erforderlich wären – bei Ärztinnen / Ärzten in Weiterbildung liegt diese Zustimmung sogar bei 60,1 Prozent.

Tipp: Eine transparente Kommunikation über den Bewerbungsprozess und die Möglichkeit, Hürden zu minimieren, sind entscheidend. Die Berücksichtigung von Bewerberbedürfnissen, wie eine klare Kommunikation, kurze Bearbeitungsdauer und Verzicht auf unnötige Anforderungen, kann dazu beitragen, talentierte Bewerber anzuziehen und den Auswahlprozess effizienter zu gestalten.

Eine präzise Kenntnis der Zielgruppe ist für erfolgreiches Recruiting und Retention unerlässlich. Denn die aktuelle Herausforderungen im Personalmanagement erfordern zukunftsorientierte Strategien, die auf tiefem Verständnis der Bewerber:innen und Mitarbeitenden basieren. Nur so können Arbeitgeber sicherstellen, nicht nur Menschen zu gewinnen, sondern sie auch dauerhaft zu halten.

Über die Studie

Befragt wurden 3.968 angestellte Ärztinnen und Ärzte in Deutschland, Online-Umfrage, Feldzeit: 21.04. bis 24.06.2023. Die Studie wurde bereits zum vierten Mal in Folge in Kooperation mit dem Wissenschaftlichen Institut für Presseforschung und Publikumsanalysen (WIP) in Köln durchgeführt und liefert wertvolle Erkenntnisse für das Recruiting von ärztlichen Fachkräften. Dabei wurden angestellte Medizinerinnen / Mediziner verschiedenster Funktionen und Fachrichtungen befragt.

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Konstantin Degner ist Recruiting-Experte und unterstützt als Expert Business Development & Market beim Deutschen Ärzteverlag – genauer gesagt bei „Ärztestellen“, dem Stellenmarkt des Deutschen Ärzteblattes – Personalverantwortliche im Gesundheitswesen in Sachen Recruiting und Retention. Foto: © Kim Pottkämper

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