Realitätscheck: Aufenthaltsrechtliche Sicherheit ausländischer Arbeitnehmer:innen

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Fach- und Arbeitskräfte langfristig zu halten bedeutet auch, ihnen Rechtssicherheit über ihren Aufenthaltsstatus zu geben, so die Rechtsanwältinnen Adela Schmidt und Katharina Vorländer. Die aufenthaltsrechtliche Sicherheit ausländischer Arbeitnehmer:innen – ein juristischer Realitätscheck der Situation in Deutschland.

Die deutsche Migrationspolitik befindet sich seit Jahren im Wandel. Zum einen soll durch aktuelle Beschlüsse von Bund und Ländern irreguläre Migration gesenkt werden. Zum anderen markierte auch die Einführung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG) im März 2020 eine bedeutende Wende in der Einwanderungspolitik.

Das historische Signal: Deutschland erkennt die Notwendigkeit an, qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland anzuziehen, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen und die Wettbewerbsfähigkeit seiner Wirtschaft zu stärken. Im November 2023 sowie im März und Juni 2024 treten nun weitere Gesetzesänderungen im Einwanderungsrecht in Kraft, hinzu kommen im Jahr 2024 auch Änderungen am Staatsangehörigkeitsrecht.

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Eine Einbürgerung soll, so ist es geplant, schneller möglich sein. Das stetige Schraubendrehen an geltendem Recht kann man als Notwendigkeit verstehen, den wirtschaftlichen Bedürfnissen Deutschlands und dem Wunsch nach nachhaltiger Einwanderung von Fachkräften gerecht zu werden.

Im Gegensatz dazu stehen die Schlagzeilen der letzten Zeit und die öffentliche Diskussion um Abschiebungen von Personen, die ein bestehendes Aufenthaltsrecht oder sogar die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Angesichts der Tatsache, dass es kaum noch Unternehmen gibt, die ohne die Beschäftigung ausländischer Arbeits– oder Fachkräfte auskommen, ist ein juristischer Realitätscheck notwendig.

Deutschland braucht Fachkräfte aus dem Ausland

Aufenthaltsrechtliche Sicherheit ausländischer Arbeitnehmer:innen
Envato/jacoblund

Aufgrund des demografischen Wandels und des sinkenden Arbeitskräftepotenzials ist die Dringlichkeit für Deutschland, Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen, unbestreitbar. Bereits heute machen sich die Auswirkungen von unbesetzten Stellen im Alltag bemerkbar, sei es durch geschlossene Restaurants, verkürzte Öffnungszeiten oder lange Wartezeiten bei handwerklichen Dienstleistungen. Studien belegen das Ausmaß des Fachkräftemangels: Eine aktuelle Bitkom-Studie ergab, dass es derzeit 149.000 unbesetzte Stellen für IT-Experten gibt.

Das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) warnt vor einem besorgniserregenden Fachkräftemangel in deutschen Krankenhäusern und das Kompetenzzentrum Fachkräfteabsicherung (KOFA) berichtet von einem neuen Rekord an offenen Stellen. Obwohl die Arbeitslosenzahlen sinken, gibt es eine steigende Anzahl von unbesetzten Positionen.

Genau hier zeigt sich eine der zentralen Herausforderungen, vor denen Deutschland in den kommenden Jahren steht. Es fehlen nicht nur Arbeitswillige, sondern speziell ausgebildete Talente, um die Vielzahl offener Stellen zu besetzen. Aufstocken, und zwar dringend, lautet also die oberste Arbeitsmarkt-Devise. Direkt im Anschluss gilt es, die Fach- und Arbeitskräfte langfristig zu halten.

Rechtsstaatlichkeit schützt Fachkräfte

Foto Diverses Team im Office
Envato/nd3000

Fach- und Arbeitskräfte langfristig zu halten bedeutet auch, ihnen Rechtssicherheit über ihren Aufenthaltsstatus zu geben. Staatsangehörige aus den Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) benötigen keine spezielle Arbeits- oder Aufenthaltserlaubnis und genießen uneingeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Diese Freizügigkeitsberechtigung tritt automatisch ein und kann auch nur unter engen Voraussetzungen wieder verloren gehen, automatisch entfällt das Recht zur Freizügigkeit nicht. Fach– und Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern genießen ebenfalls die Sicherheit ihres Aufenthaltstitels.

Ein Aufenthaltstitel ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Nur wenn diese vorliegen, stellt die zuständige Behörde überhaupt einen Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit aus. Solange diese Voraussetzungen auch weiterhin vorliegen, bleibt der Aufenthaltsstatus grundsätzlich gesichert. Denn auch ein Aufenthaltstitel kann nicht ohne triftigen Grund widerrufen werden.

Deutschland ist ein Rechtsstaat – jede Entscheidung, auch über einen Aufenthaltstitel, muss also auf geltendem Recht beruhen. Daran muss sich nicht nur der einzelne Sachbearbeiter in den Behörden halten, sondern auch der Abteilungsleiter, die Behörde als Gesamtes, die Ministerien, Richter, usw. Das Rechtsstaatsprinzip beruht auf Gegenseitigkeit – so wie sich der Staat darauf berufen können muss, dass das Recht eingehalten wird, so muss sich auch die einzelne Person darauf berufen können, auf die das Recht Anwendung findet.

Solange also die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gegeben sind, gibt es keinen Grund, diesen zu widerrufen. Ausnahmen sind im Gesetz festgelegte Szenarien – wie zum Beispiel eine Verurteilung wegen einer schweren Straftat. Aus reiner Willkür, aus Unmut über Pluralität oder aus einer Laune heraus kann eine Fach- oder Arbeitskraft also nicht einfach dazu aufgefordert werden, Deutschland zu verlassen.

Eine Änderung des geltenden Gesetzes ist auch nur im Rahmen des dafür anwendbaren Rechts möglich. Arbeitsmigrationsrecht ist Bundesrecht und kann auch bei einer rechtspolitischen Landesregierungsbeteiligung nicht einfach auf Landesebene geändert werden. Zudem beruht ein nicht unbeachtlicher Teil der Regelungen auf europäischen Rechtsnormen. Die Bundesgesetzgebung und die Einhaltung europäischer Rechtsnormen setzen somit klare Grenzen für substanzielle Veränderungen im Aufenthaltsrecht.

Herausforderungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Foto Inder mit Notebook
Envato/insta_photos

Solange sich die Gegebenheiten der Fach- oder Arbeitskraft nicht ändern, gibt es keinen Grund, an der Sicherheit des Aufenthaltsstatus zu zweifeln. Wichtig ist es nur, sich rechtzeitig über Rechte und Pflichten zu informieren, wenn sich an den Gegebenheiten, zum Beispiel an den Arbeitsbedingungen oder dem Arbeitsverhältnis der Fach- oder Arbeitskraft insgesamt etwas ändert. Denn es gibt in bestimmten Fällen Benachrichtigungspflichten gegenüber den Ausländerbehörden, die zwingend einzuhalten sind, sonst drohen (nicht nur) Geldstrafen.

Personalplanung ist ein wichtiges Thema für Unternehmen. Lange Behördenprozesse, viel Bürokratie und ein hoher Bedarf an Fach- und Arbeitskräften sind eine anspruchsvolle Kombination. Arbeitgeber – und Arbeitnehmer sind in den Immigrationsverfahren involviert und gefordert. Wichtig ist hier, rechtlich up-to-date zu sein und die wichtigen internen Prozesse aufzusetzen und anzuleiern. Wer als Arbeitgeber, vor allem mit einer kleinen HR-Abteilung, zwischen Bürokratie-Dickicht und Behörden-Langsamkeit verzweifelt, kann sich Unterstützung suchen.

Trotz der dargestellten rechtlichen sicheren Lage für Fach- und Arbeitskräfte ist es nachvollziehbar, dass die derzeitige Debatte zu Fragen und Unsicherheiten oder sogar irreführenden Signalen führen kann. Während andere Länder bereits effizientere Systeme etabliert haben, kommen in Deutschland Gedankenexperimente zu Massenabschiebungen zu Tage. Kein schönes Zeichen für ein Land, das dringend Fach-und Arbeitskräfte braucht, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die Signalwirkung einer Willkommenskultur darf nicht unterschätzt werden, da die Überlegung, sich in einem Land niederzulassen, nicht nur die Fach – oder Arbeitskraft betrifft, sondern im Zweifel eine ganze Familie.

Aufenthaltsrechtliche Sicherheit: Höchste Zeit für die richtigen Signale

Die Politik muss bürokratische Prozesse vereinfachen und weitere Lösungen entwickeln, um Fachkräfte aus dem Ausland anzuziehen und den Wirtschaftsstandort Deutschland langfristig im internationalen Talentwettbewerb zu stärken. Dafür muss vor allem eine erfolgreiche Willkommenskultur gelebt werden – und zwar von jedem Teil der Gesellschaft. Auch Unternehmen sind gefragt. Sie könnten ihre Wirtschaftskraft nutzen und ihren Bedarf an gut ausgebildeten Fach- und Arbeitskräften noch deutlicher machen: Wir brauchen ausländische Fachkräfte und das besser gestern als morgen!

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Dr. Adela Schmidt ist Rechtsanwältin und Managerin im Frankfurter Büro von Fragomen und spezialisiert auf deutsches und europäisches Migrationsrecht. Ihre Beratungstätigkeit konzentriert sich auf umfangreiche und komplexe migrationsrechtliche Mandate. Foto: Fragomen

Katharina Vorländer ist Rechtsanwältin und Senior Managerin im Frankfurter Büro von Fragomen. Ihre Beratungsschwerpunkte sind deutsches und europäisches Migrations- sowie Staatsangehörigkeitsrecht. Katharina Vorländer berät eine Vielzahl von Fragomen-Mandanten weltweit und konzentriert sich dabei auf komplexe Migrations- und Compliance-Mandate. Foto: Fragomen

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