Entgelttransparenz: Neue Pflichten für Unternehmen

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Die europäische Entgelttransparenz-Richtlinie soll Entgeltunterschiede sichtbar machen und die Lohnlücke schließen. Arbeitsrechtler Pascal Verma erläutert, worauf sich Unternehmen vorbereiten müssen. Die neuen Vorgaben dürften einen beachtlichen bürokratischen Mehraufwand nach sich ziehen.

Um dabei zu helfen, dass die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen schneller und effektiver geschlossen wird, ist im Jahr 2017 das Entgelttransparenzgesetz in Kraft getreten. Dennoch hatten nach dem statistischen Bundesamt im Jahr 2022 Frauen in Deutschland einen um 18 Prozent geringeren Bruttostundenverdienst als Männer. Wie der langfristige Vergleich zeigt – im Jahr 2006 lag der Wert noch bei 23 Prozent -, schließt sich die Lücke zwar allmählich. Das Thema geschlechtsspezifische Vergütungsdiskriminierung ist gleichwohl ein Thema, mit dem sich neuerdings auch die Rechtsprechung regelmäßig beschäftigt.

Im Februar 2023 war dieses Thema zum Beispiel Gegenstand eines medial sehr beachteten Urteils des Bundesarbeitsgerichts, dem in den Medien schnell das Prädikat „Meilenstein für die Lohngerechtigkeit“ zugeteilt worden ist, da das Bundesarbeitsgericht die Vermutung einer Vergütungsdiskriminierung nicht allein durch einen Verweis auf besseres Verhandlungsgeschick des männlichen Kollegen erschüttern ließ.

Im Zusammenhang mit der Verhinderung geschlechtsspezifischer Vergütungsdiskriminierung ist nun auch der europäische Gesetzgeber aktiv geworden und hat eine neue Richtlinie erlassen (EUR-Lex – 52021PC0093 – EN – EUR-Lex (europa.eu), sogenannte Entgelttransparenz-Richtlinie), die für die Zeit nach der Umsetzung neue Instrumente in Aussicht stellt, um Entgeltunterschiede bei Männern und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit zu identifizieren. Hierauf müssen sich Unternehmer vorbereiten.

Die Richtlinie, die im Juni 2023 in Kraft getreten ist, sieht dabei folgende Änderungen/Neuerungen vor, die auch in deutsches Recht umgesetzt werden müssen:

1. Gehaltstransparenz bereits im Bewerbungsverfahren (aber nur einseitig)

Der europäische Gesetzgeber setzt sich bereits dafür ein, dass im Bewerbungsverfahren im Hinblick auf das Einstiegsgehalt eine höhere Transparenz entstehen muss. Art. 5 Abs. 1 Entgelttransparenz-Richtlinie sieht vor, dass ein Stellenbewerber das Recht haben soll, vom künftigen Arbeitgeber Informationen über das Einstiegsgehalt oder die Gehaltsspanne, die für die betreffende Stelle vorgesehen ist, zu erhalten. Diese Informationen muss der künftige Arbeitgeber proaktiv in der veröffentlichten Stellenausschreibung oder anderweitig erteilen, wobei die Information zeitlich vor dem Vorstellungsgespräch erteilt worden sein muss.

Anderseits schränkt Art. 5 Abs. 2 Entgelttransparenz-Richtlinie für Arbeitgeber den Rahmen der zulässigen Informationseinholung ein. Die stellensuchende Person darf nicht danach befragt werden, wie ihre Lohnentwicklung im aktuellen oder in früheren Beschäftigungsverhältnissen war.

2. Ausweitung des Auskunftspflichten

Ein individueller Auskunftsanspruch von Arbeitnehmern ist bereits im aktuell geltenden Entgelttransparenzgesetz vorgesehen (vgl. §§ 10 ff. Entgelttransparenzgesetz). Dieser Auskunftsanspruch ist nach der aktuellen Gesetzeslage begrenzt und steht nur Arbeitnehmern in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten zu.

Ist diese Voraussetzung erfüllt, können Arbeitnehmer schriftlich bei ihrem Arbeitgeber Auskunft über die Entgeltfindung, Festlegung des Entgelts für die eigene Tätigkeit sowie für die Vergleichstätigkeit verlangen. Bisher wurde für diese Auskunft ein Vergleichswert herangezogen, der aus einem auf Vollzeitäquivalente hochgerechneten, statistischen Median des durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelts beruht.

Die Entgelttransparenz-Richtlinie sieht vor, dass der Auskunftsanspruch deutlich erweitert wird. Für die Anwendung des Auskunftsanspruchs wird in Art. 7 Entgelttransparenz-Richtlinie nicht mehr darauf abgestellt, dass der Betrieb eine bestimmten Belegschaftsgröße hat. Eine Auskunft wird somit bei Arbeitgebern jeder Größe, auch bei Kleinbetrieben, verlangt werden können. Die Entgelttransparenz-Richtlinie sieht außerdem eine Abkehr vom statistischen Median vor.

Die Auskunftsanspruch soll sich nicht mehr auf diesen Wert beziehen, sondern soll eine Auskunft über das individuelle Einkommen und die Durchschnittseinkommen umfassen. Die Auskunft über die Durchschnittseinkommen soll dabei nach Geschlecht und für die Gruppen, die die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit verrichten, aufgeschlüsselt sein.

Art. 7 Abs. 2 Entgelttransparenz-Richtlinie sieht schließlich vor, dass ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin den Auskunftsanspruch nicht persönlich geltend machen muss, sondern dass die Auskünfte auch über die zuständige Arbeitnehmervertretung – voraussichtlich den Betriebsrat – verlangt werden können.

Nachdem der Arbeitnehmer den Auskunftsanspruch geltend gemacht hat, wird der Arbeitgeber die Informationen innerhalb von zwei Monaten zu erteilen haben (Art. 7 Abs. 4 Entgelttransparenz-Richtlinie – das aktuell geltende Entgelttransparenzgesetz sieht aktuell noch einen Zeitraum von drei Monaten für die Auskunftserteilung vor).

Arbeitgeber werden außerdem dazu verpflichtet, alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen jährlich darüber zu informieren, dass sie das oben näher beschriebene Auskunftsrecht im Hinblick auf ihr individuelles Einkommen und die Durchschnittseinkommen haben (Art. 7 Abs. 3 Entgelttransparenz-Richtlinie).

3. Berichterstattungspflicht für mittelständische Unternehmen

Neben der Informationspflicht im Bewerbungsverfahren und dem Auskunftsanspruch soll die Transparenz über die Vergütung auch noch dadurch gewährleistet werden, dass Unternehmen ab einer gewissen Mitarbeiteranzahl eine Berichterstattungspflicht auferlegt werden soll. Perspektivisch müssen sich bereits Unternehmen mit mindestens 100 Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen mit der Berichterstattungspflicht auseinandersetzen.

Im ersten Schritt sind aber erst einmal „nur“ Unternehmen mit mehr als 150 Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen gefordert. Unternehmen mit 250 Arbeitnehmern und mehr trifft die Berichterstattungspflicht erstmals zum 7. Juni 2027 und anschließend jährlich. Bei Unternehmen mit 150 bis maximal 249 Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen besteht diese Pflicht ebenfalls erstmals zum 7. Juni 2027 und im Anschluss alle drei Jahre. Bei Unternehmen mit 100 bis maximal 149 Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen besteht die Berichterstattungspflicht erstmals zum 7. Juni 2031 und im Anschluss auch alle drei Jahre.

Inhaltlich muss von einem Unternehmen mit der entsprechenden Mitarbeiterzahl sichergestellt werden, dass es Informationen zu seiner Organisation in Bezug auf unter anderem das geschlechterspezifische Entgeltgefälle (Differenz zwischen den durchschnittlichen Entgelthöhe von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern) und das mittlere geschlechtsspezifische Entgeltgefälle (Differenz zwischen Median-Entgelthöhe von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern) vorlegen kann.

Stellt sich außerdem im Rahmen der Berichterstattung ein Unterschied zwischen den durchschnittlichen Entgelthöhen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Höhe von mindestens fünf Prozent heraus , der nicht durch objektive und geschlechtsneutrale Faktoren gerechtfertigt ist und den der Arbeitgeber nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Berichterstattung korrigiert, hat das Unternehmen zusammen mit den Arbeitnehmervertretern eine gemeinsame Entgeltbewertung vorzunehmen (Art. 10 Entgelttransparenz-Richtlinie).

4. Schadensersatz

Der europäische Gesetzgeber hat den Mitgliedstaaten eingeräumt, dass sie über die Rechtsfolgen für einen Verstoßes gegen den Grundsatz der Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern eigenständig entscheiden. Die Mitgliedstaaten müssen jedoch sicherstellen, dass das Recht besteht, vollständigen Schadensersatz und vollständige Entschädigung zu verlangen. Als Leitplanken für die Gestaltung der Sanktionen ist den nationalen Gesetzgebern noch mitgegeben worden, dass die Sanktionen „wirksam, abschreckend und angemessen“ sein müssen.

Außerdem muss der Schadensersatz oder die Entschädigung die vollständige Nachzahlung entgangener Entgelte (einschließlich damit verbundener Boni oder Sachleistungen) sowie den Schadensersatz für entgangene Chancen, immateriellen Schaden, und Verzugszinsen umfassen, wobei die Entschädigungen nicht durch eine vorab festgelegte Obergrenze beschränkt werden dürfen.

5. Beweislastumkehr

Schließlich beinhaltet die Entgelttransparenz-Richtlinie auch noch prozessuale Vorgaben an die Mitgliedstaaten. In Art. 18 sieht die Richtlinie zum Beispiel vor, dass der Arbeitgeber dafür beweisbelastet ist, dass es nicht zu einer Entgeltdiskriminierung (unmittelbar oder mittelbar) gekommen ist, sofern ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin Tatsachen glaubhaft macht, die eine Entgeltdiskriminierung vermuten lassen.

6. Fazit

Das Gesetzgebungsverfahren zur Entgelttransparenz-Richtlinie war langwierig, begann bereits im März 2021 und konnte erst im Dezember 2022 nach Trilog-Verhandlungen zwischen der Europäischen Kommission, dem Ministerrat und dem Europäische Parlament auf die Zielgerade geführt werden. Die neuen Vorgaben, die die Mitgliedstaaten aufgrund der Entgelttransparenz-Richtlinie in nationales Recht umsetzen müssen, sind umfangreich und werden für Unternehmen einen beachtlichen bürokratischen Mehraufwand nach sich ziehen.

Vor der Umsetzung in nationales Recht löst die Entgelttransparenz-Richtlinie jedoch noch keinen akuten bürokratischen Handlungsbedarf aus. Daher sollte aktuell im Auge behalten werden, in welcher Form die Umsetzung in nationales Recht letztlich erfolgt. Die Tendenz ist aber schon erkennbar: Die Vergütung wird transparenter werden, um auf dieser Wege der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen den Kampf anzusagen.

Unabhängig davon ist bereits heute unzulässig, wenn Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ungerechtfertigt ungleichbehandelt werden, insbesondere ungleich entlohnt werden. Solchen Tendenzen müssen Unternehmen mithin unabhängig von der Umsetzung der Entgelttransparenz-Richtlinie schon heute entschieden entgegenwirken.

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Foto Pascal Verma

Pascal Verma ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei nbs partners aus Hamburg. Er berät nationale und internationale Unternehmen und Unternehmensgruppen sowie Führungskräfte zu Fragestellungen aus dem Individual- und dem Kollektivarbeitsrechts. Ein weiterer Beratungsschwerpunkt liegt auf dem Datenschutzrecht.

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