Betriebsbedingte Kündigung: Was geht, was geht nicht?

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Auch bei einer starken finanziellen Schieflage sind Kündigungen nicht immer rechtmäßig. Rechtsanwältin Meike Brecklinghaus erklärt, worauf zu achten ist.

In diesem Jahr mussten viele Unternehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgrund der Corona-Krise gehen lassen. Doch auch bei starker wirtschaftlicher Bedrohung sind Kündigungen nicht immer rechtmäßig. Um Kündigungsschutzklagen vorzubeugen, müssen Unternehmen im Vorfeld eine Reihe von Dingen beachten.

Entlassungen als Lösung wirtschaftlicher Probleme – ist es so einfach?

Aus arbeitsrechtlicher Sicht unterscheidet man grundsätzlich zwischen drei Kündigungsarten: der verhaltensbedingten, der personenbedingten und der betriebsbedingten Kündigung. Letztere kommt mit Abstand am häufigsten vor. Besonders in der aktuellen Situation sehen viele in Schwierigkeiten geratene Unternehmen die letzte Lösung darin, ihren Personalbestand zu reduzieren. Betriebsbedingte Kündigungen sind vor dem Hintergrund einer finanziellen Schieflage prinzipiell möglich, erfordern aber – wie alle Kündigungsarten – die Erfüllung einiger Voraussetzungen. Das deutsche Kündigungsschutzgesetz schützt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vergleichsweise gut. Und da die eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigenden Umstände nicht pauschal zu beurteilen sind, kommt es in der Regel zu Einzelfallentscheidungen. Die Unvorhersehbarkeit des Verlaufs der Pandemie und damit der wirtschaftlichen Zukunft eines Unternehmens macht aktuell die Beurteilung der Lage nicht einfacher.

Ein Beispiel: Ein wichtiger Faktor für die Legitimierung betriebsbedingter Kündigungen ist die voraussichtliche Dauer der zum Beispiel durch Auftragsmangel und/oder Umsatzrückgang entstandenen wirtschaftlichen Probleme. Denn eine betriebsbedingte Kündigung ist nur dann gerechtfertigt, wenn aufgrund dieser Ursachen eine unternehmerische Entscheidung getroffen wurde, durch die die Beschäftigungsmöglichkeit dauerhaft weggefallen ist. Das Unternehmen muss daher eine Prognose vornehmen: Handelt es sich bei der schlechten Auftragslage nur um eine vorübergehende Situation oder einen dauerhaften Zustand? Eine klare zeitliche Grenze, bis wann ein Zustand vorübergehend und ab wann er dauerhaft ist, gibt es jedoch nicht. Im Falle der aktuellen Pandemie ist das besonders verzwickt, denn niemand kann derzeit mit Sicherheit voraussehen, wie lange uns die Krise beschäftigen wird.

Viele Unternehmen haben deshalb zunächst mit Kurzarbeit reagiert. Das Problem: Die Bewilligung und Zahlung von Kurzarbeitergeld setzen einen vorübergehenden Zustand voraus. Wer aufgrund einer verschärften Lage später auf Kündigungen umschwenken will und als Grund hierfür einen dauerhaften Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund der Verschlechterung der Geschäftslage anführt, muss besonders sauber argumentieren und das auch belegen können. Es besteht dann ein höherer Begründungsaufwand.

Und selbst wenn die Gründe belegbar und nachvollziehbar sind, muss eine Kündigung immer das letzte Mittel sein. Es gilt das sogenannte Ultima-Ratio-Prinzip. Gäbe es auch mildere Lösungen, wie zum Beispiel Kurzarbeit oder eine Änderungskündigung, hält die Kündigung der gerichtlichen Überprüfung nicht stand.

Wem kann überhaupt aus dringenden betrieblichen Erfordernissen gekündigt werden?

Bestimmte Personengruppen sind – unabhängig von der Art der Kündigung – vor Entlassungen besonders geschützt. Sonderkündigungsschutz besteht zum Beispiel für Schwangere, Schwerbehinderte, Auszubildende, Mütter oder Väter in Elternzeit sowie Betriebsratsmitglieder und sonstige betriebsverfassungsrechtliche Funktionsträger. Den besonders geschützten Personengruppen darf zum Teil nur in Ausnahmefällen gekündigt werden, teilweise ist ihre Kündigung auch an zusätzliche formelle Voraussetzungen gebunden. Vor einer betriebsbedingten Kündigung ist daher zu prüfen, ob Sonderkündigungsschutz besteht und ob beziehungsweise unter welchen Voraussetzungen der betreffende Arbeitnehmer überhaupt gekündigt werden kann.

Zudem ist im Rahmen betriebsbedingter Kündigungen im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes in der Regel eine Sozialauswahl durchzuführen, d.h. sollen von mehreren in Betracht kommenden Arbeitnehmern nicht alle gekündigt werden, muss die Auswahl des/der zu kündigenden Arbeitnehmer nach sozialen Gesichtspunkten erfolgen. Nach Bestimmung des auswahlrelevanten Personenkreises (vergleichbare Arbeitnehmer des Betriebes) sind auch innerhalb der dem allgemeinen Kündigungsschutz unterliegenden Personengruppen insofern soziale Faktoren wie zum Beispiel Unterhaltspflichten, die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Alter sowie eine etwaige Schwerbehinderung zu berücksichtigen. Eine fehlende oder fehlerhafte Sozialauswahl führt im Regelfall zur Unwirksamkeit der Kündigung.

Die betriebsbedingte Kündigung kann nicht dazu dienen, unbeliebte Mitarbeiter loszuwerden

Ein häufiger Fehler von Unternehmen ist es, Kündigungsgründe und damit Kündigungsarten zu vermischen. Eine betriebsbedingte Kündigung hat nichts mit dem Verhalten oder der Leistung des Mitarbeitenden zu tun. Hat dieser sich in der Vergangenheit zwar kleine Fehltritte geleistet, die in der Summe aber nicht für eine verhaltensbedingte Kündigung ausreichen, dürfen diese bei der Wahl der betriebsbedingt zu kündigenden Personen nicht mit in die Waagschale geworfen werden.

Das Unternehmen muss im Prozess allein darlegen, dass die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung gegeben sind. Persönliche Sympathien dürfen dabei keine Rolle spielen.

Zwar muss – und sollte – der Kündigungsgrund in der Regel im Kündigungsschreiben nicht genannt werden, dennoch muss dieser im Klagefall spätestens vor Gericht dargelegt werden, um eine gerichtliche Überprüfung zu ermöglichen. Vor der Aussprache von Kündigungen sollte sich ein Unternehmen also ganz sicher sein, auf welcher Basis und unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung erfolgen kann und sich zur Absicherung im Vorfeld rechtlich beraten lassen.

Klagerecht

Aufgrund des umfangreichen Kündigungsschutzes in Deutschland machen Gekündigte häufig von ihrem Recht Gebrauch, eine Kündigungsschutzklage zu erheben. Dazu haben sie grundsätzlich ab Zugang der Kündigung drei Wochen Zeit. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind die Hintergründe für ihre Entlassung oft nicht ersichtlich und sie können als juristische Laien nur schwer beurteilen, ob die Kündigung rechtmäßig erfolgte. Arbeitgeber sollten also immer damit rechnen, dass Gekündigte zumindest pro forma Klage einreichen, um sich abzusichern und die Rechtmäßigkeit der Kündigung gerichtlich prüfen zu lassen. Eine schlüssige Argumentationsgrundlage, eine saubere Sozialauswahl sowie die Befolgung aller Formerfordernisse ist deshalb für Unternehmen essenziell, vor allem, wenn Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen zwingend notwendig sind.

Meike BrecklinghausistRechtsanwältin und Mitglied der Praxisgruppe Internationales ArbeitsrechtbeiBird & Bird LLP in Düsseldorf. Sie berätin- und ausländische Mandanten in allen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts.IhrTätigkeitsfeld erstreckt sich auf alle arbeitsrechtlichen Fragestellungen, beispielsweise bzgl. der Gestaltung von Arbeitsverträgen, Arbeitnehmerüberlassung oder kündigungsrechtlichen Themen. Danebenberät sieregelmäßig zu kollektivrechtlichen Aspekten des Arbeitsrechts im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung oder im Zusammenhang mit Tarifverträgen.Bird & Bird ist eine international führende Anwaltssozietät mit über 1.300 Anwälten in 29 Büros in 20 Ländern in Europa, dem Nahen Osten, dem Asien-Pazifik Raum und Nordamerika.

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