Alter als Nachteil? Legt endlich die Scheuklappen ab

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Altersdiskriminierung in Bewerbungsprozessen? Warum Unternehmen damit einen großen Fehler begehen, erläutert Oliver Hohmann, Managing Partner der Deltacon Executive Search. Vor allem drei Klischees spielen bei Personalern gegenüber Führungskräften über 50 eine Rolle.

Diversität ist ein fester Bestandteil der Kultur moderner Unternehmen. Personalerinnen und Personaler achten darauf, in ihre Belegschaft unterschiedliche Geschlechter, Herkünfte und Kulturen zu integrieren – das Alter wird dabei aber gerne bewusst vergessen. Nicht umsonst steht in vielen Stellenanzeigen der Satz „Dich erwartet ein junges und motiviertes Team“. Jung wird gleichgesetzt mit agil, freundlich, motiviert, gut. Gerade in schnelllebigen Branchen – wie der Digital- und Werbeindustrie – gilt Alter als Nachteil.

An dieser Stelle ein kleiner Hinweis: Meine Erfahrungen beziehen sich vor allem auf ebenjene agile Digital-, Werbe- und Medienbranchen und die Bewerbungsprozesse von Führungskräften. Vieles davon lässt sich aber auf andere Branchen und Levels übertragen.

Keine Chancengleichheit im Bewerbungsprozess

Für Unternehmen gilt bei Kandidatinnen und Kandidaten die 50 als eine Schallmauer. Wer über 50 Jahre alt ist, muss seinen „Nachteil“ mit besseren Fähigkeiten und überzeugenderen Gesprächen wett machen – wenn er oder sie überhaupt erst eingeladen wird –, um im Bewerbungsprozess gegenüber der jüngeren Konkurrenz eine Chance zu haben.

Die Verantwortlichen haben das Bild vor Augen, dass junge Führungskräfte die Zukunft des Unternehmens bilden. Das ist eine klare Fehleinschätzung. Managerinnen und Manager besetzen eine Position selten länger als eine Hand voll Jahre. Unternehmen kann es daher egal sein, ob die Führungskraft 35 oder 55 ist. Junge Führungskräfte wechseln aus meiner Erfahrung sogar deutlich häufiger den Arbeitgeber, um schneller auf der Karriereleiter zu steigen.

Viele Unternehmen ignorieren trotz des angespannten Personalmarktes eine riesige Zielgruppe. Laut Statista ist rund ein Drittel aller Arbeitskräfte über 50, bei den Führungskräften sind es sogar rund 57 Prozent. Bald werden Unternehmen dem wachsenden Personaldruck nachgeben und zwangsläufig auch ältere Führungskräfte neu beschäftigen. Diejenigen Arbeitgeber, die sich früher auf diesen verändernden Personalmarkt einstellen, verschaffen sich aktuell noch wichtige Vorteile im Recruiting.

Warum werden Kandidaten und Kandidaten 50 plus abgelehnt?

Ich begegne besonders drei hartnäckigen Klischees bei Personalern gegenüber Führungskräften über 50.

1. Führungskräfte über 50 sind zu teuer.

Erfahrene Managerinnen und Manager suchen in der Regel nach sinnvollen Aufgaben und Herausforderungen, in denen sie gestalten können und einen echten Impact erzielen. Dafür machen sie auch gerne Abstriche beim Gehalt – viel stärker als ihre jüngere Konkurrenz.

2. Führungskräften über 50 fehlt das heutige Fachwissen.

Vorab: Dies mag teilweise stimmen bei Managerinnen und Manager mit langen Karrieren in Konzernen. Anders ist es in kleinen und mittleren Unternehmen und Agenturen. In kleineren Einheiten arbeiten auch die Leitungen operativ am Tagesgeschäft mit oder überwachen es zumindest unmittelbar. Es gilt bei Kandidatinnen und Kandidaten unabhängig von Jobtiteln genau hinzuschauen, wie sie ins operative Geschäft eingebunden waren.

Jüngere Managerinnen und Manager haben vielleicht einen Wissensvorteil in Spezialdisziplinen, ihnen fehlt dafür oft der Blick auf das „große Ganze“. Durch ihn laufen erfahrene Führungskräfte auch nicht bedingungslos jedem Trend – wie aktuell dem Metaverse – hinterher, da sie bereits genügend Hypes miterlebten, die sich als heiße Luft herausgestellt haben.

3. Führungskräften über 50 fehlen moderne Arbeitsmethoden.

Dies ist äußerst branchenabhängig. Die Unternehmen in der Digital-, Werbe- und Medienindustrie arbeiten (in der Regel) bereits seit Jahren agil und mit flachen Hierarchien. Somit sind die meisten Führungskräfte in den Branchen mit New Work aufgewachsen und entsprechend “sozialisiert”. Sie wissen bereits aus Erfahrung, was viele jüngere Teamleitungen noch lernen müssen: Mitarbeitende brauchen Vertrauen anstatt Kontrolle – und flexible Arbeitszeiten und -orte mindern nicht die Leistung.

Wie entfalten Unternehmen die Potenziale ihrer Führungskräfte 50 plus?

Zuerst das Offensichtliche: Unternehmen sollten mit passende Förderprogrammen auch erfahrene Managerinnen und Manager zielgerichtet unterstützen. Die allermeisten Fortbildungen in Unternehmen richten sich an (Quer-)Einsteiger und Talente. Es kommt nicht von ungefähr, dass viele ältere Führungskräfte und Mitarbeitende grundsätzlich das Gefühl haben, auf dem Abstellgleis zu stehen. Dem müssen Unternehmen entgegenwirken mit passenden Fortbildungen. Ein Beispiel dafür ist das Programm „Empowerment 50plus“ von Robert Fahle, langjähriger Digital-Director im Bertelsmann-Konzern. Sein Programm unterstützt Unternehmen beim richtigen Umgang mit 50plus-Mitarbeitenden.

Managerinnen und Manager über 50 eignen sich hervorragend für Schnittstellenaufgaben, in denen sie ihre ganzheitliche Betrachtungsweise einbringen können. In Ihrer Karriere haben sie bereits viele Fehlentscheidungen mitbekommen oder teils auch selbst getroffen und wissen daher, wie es besser geht. Dazu gehört zum Beispiel das Einbeziehen der Mitarbeitenden in Transformationsprozesse. Durch ihre Erfahrungen manövrieren ältere Führungskräfte Unternehmen oft besser durch kritische Phasen und Krisen.

Als letzten Punkt möchte ich Diversität anbringen und damit zum Anfang zurückkehren. Junge und erfahrene Kräfte profitieren von generationenübergreifenden Teams: Junge Kolleginnen und Kollegen lernen vom generalistischen Blick, den Branchenkenntnissen und der strategischen Denkweise der erfahrenen Führungskräfte. Diese werden im Gegenzug durch ihre jungen Pendants über neue technische Entwicklungen und Trends informiert.

Wissenstransfers und Tandem-Modelle zwischen jungen und erfahrenen Führungskräften schaffen neben dem inhaltlichen Austausch auch eine generationenübergreifende Kollegialität, die für einige Unternehmen eine Herausforderung darstellt. Wer also seine Alters-Scheuklappen ablegt, erschließt nicht nur eine riesige Zahl potenzieller Arbeitskräfte, sondern stärkt auch die Diversität und Qualität seiner Teams.

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Foto Oliver Hohmann

Oliver Hohmann ist Managing Partner der DELTACON Executive Search und leitet dort das Competence Center Medien, Werbung & Digital. Davor arbeitete der Experte über 24 Jahre unter anderem als Geschäftsführer und Vorstand von Unternehmen aus der Medien- und Digitalbranche.

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