Welche arbeitsrechtlichen Fragen sich stellen, wenn ein US-Investor auf deutsche Betriebsräte und Gewerkschaften trifft, beschreibt der Arbeitsrechtler Volker Serth am aktuellen Beispiel des Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof.
Dass Unternehmen ein Interesse an einem liberalen Regulierungsumfeld haben, liegt in der Natur der Sache. Ebenfalls Teil dessen ist das Interesse an möglichst niedrigen Hürden mit Blick auf Beteiligung oder Übernahmen bei anderen Unternehmen. Gerade dieser Tage geraten viele Unternehmen hierzulande in den Fokus vor allen Dingen US-amerikanischer Investoren. Das kann mitunter herausfordernd für beide Seiten – Investoren und Arbeitnehmerseite – werden.
Anders als etwa beim Datenschutz oder im Kartellrecht ist das Ringen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite vielerorts kulturell-historisch gewachsen und stellt Personalerinnen / Personaler vor große Herausforderungen, wenn durch Investitionen vermeintlich zwei Welten aufeinandertreffen.
Seit Anfang April ist bekannt, wer die Warenhausgruppe Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) künftig weiterführen soll. Nachdem das Unternehmen Anfang Januar zum dritten Mal innerhalb der letzten dreieinhalb Jahre einen Insolvenzantrag gestellt hatte, ist nun eine Übernahme durch den Zusammenschluss der US-Investmentgesellschaft NRDC Equity Partners und dem Unternehmen BB Kapital SA geplant.
Die Übernahmeverträge sind unterschrieben, der Insolvenzplan wurde dem Amtsgericht vorgelegt und die Gläubiger haben diesem am 28. Mai in ihrer Versammlung zugestimmt. Formell steht das Insolvenzverfahren damit vor dem Abschluss und Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus kann das Unternehmen nach Ende der Einspruchsfrist im Juli endgültig an die neuen Eigner übergeben.
US-Investor trifft auf deutsche Mitbestimmung
Damit übernimmt ein US-Investor ein traditionsreiches deutsches Unternehmen und trifft im Zuge dessen in Deutschland auf eine deutlich umfangreichere Mitbestimmung der Arbeitnehmerseite. Das ausgeprägte System der „Sozialpartnerschaft“, wodurch Vertreter der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite eng zusammenarbeitet, dürfte den amerikanischen Investor nicht nur während des Übernahmeprozesses vor unbekannte Probleme stellen.
Bei jeder arbeitsrechtlichen Entscheidung, die die neuen Eigentümer künftig treffen, gilt es die Arbeitnehmerparteien mit einzubeziehen und die Konditionen der Beschäftigten gegebenenfalls auszuhandeln. Eine Entscheidung im Alleingang ist dem Arbeitgeber damit kaum möglich, sodass sich der amerikanische Investor daran gewöhnen muss, dass sich eine kompromisslose und konsequente Verfolgung seiner unternehmerischen Ziele im deutschen Arbeitsrecht nicht ohne Weiteres verwirklichen lässt.
Die neuen Eigentümer haben ihre Pläne für eine Umstrukturierung des Unternehmens bereits verkündet. Neben einer Namensänderung, durch welche die Warenhauskette künftig lediglich „Galeria“ heißen soll, ist auch die Schließung von 16 der insgesamt 92 Filialen geplant. Damit fallen rund 1.400 von circa 12.800 Arbeitsplätzen bis Ende August weg und einige der knapp 13.000 Beschäftigten müssen demnach um ihre Anstellung bangen. Darüber hinaus planen die neuen Investoren mit modernen Verkaufsstrategien und vermehrten Sonntagsöffnungen künftig mehr Kunden in die Läden zu locken. In Bezug auf dieses neue Konzept ergeben sich nicht nur hinsichtlich der angestrebten Kündigungen im Zuge der Filialschließungen zahlreiche Fragen.
Rollen des Insolvenzverwalters
Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens tritt der Insolvenzverwalter an die Stelle des Arbeitgebers. Seine Aufgabe besteht darin, auf Basis der Entscheidung der Gläubigerversammlung eine bestmögliche Befriedigung aller Insolvenzgläubiger zu ermöglichen. Er vertritt allerdings nicht nur die Interessen der Gläubiger, sondern auch des Schuldners und der Arbeitnehmer. Folglich hat der Insolvenzverwalter innerhalb der Verhandlungen den Auftrag möglichst viele Arbeitsplätze durch Fortführung des Unternehmens oder einen Verkauf an Investoren zu erhalten. Die Grenze liegt hierbei allerdings in der Wirtschaftlichkeit, denn vorrangig gilt es, die einzelnen Gläubiger gleichmäßig zu befriedigen und das Unternehmen wirtschaftlich sinnvoll zu restrukturieren.
Darüber hinaus hat der Insolvenzverwalter alle individual- und kollektivarbeitsrechtlichen Rechte und Pflichten zu wahren. Auch die Befugnisse des Betriebsrats werden durch das Insolvenzverfahren nicht eingeschränkt. Demnach sind etwaige Mitbestimmungsrechte umfassend zu berücksichtigen und neben der monatlichen Besprechung mit dem Betriebsrat treffen den Insolvenzverwalter auch sämtliche Unterrichtungs- und Beratungspflichten.
Im Fall der geplanten Übernahme von GKK durch den Zusammenschluss von NRDC Equity Partners und BB Kapital SA sowie den Filialschließungen und den damit einhergehenden Entlassungen ist anzunehmen, dass es sich um Kündigungen aufgrund einer Betriebsänderung handelt. In diesem Zusammenhang besteht die gesetzliche Pflicht, dass Insolvenzverwalter und Betriebsrat einen Interessenausgleich hinsichtlich der betroffenen Personen aushandeln und einen Sozialplan aufstellen.
Rollen des Gesamtbetriebsrats und der Einzelbetriebsräte
In einem derart großen Unternehmen wie der Warenhausgruppe GKK gibt es oftmals mehrere Betriebsräte. In diesem Fall ist ein Gesamtbetriebsrat zu bilden, der als Repräsentant der Arbeitnehmerseite die Interessen der Beschäftigten auf Unternehmensebene vertritt. Er hat dieselbe Überwachungs- und Mitbestimmungsfunktion wie der Einzelbetriebsrat und ist ebenso nach den gesetzlichen Vorgaben zu beteiligen. Insbesondere kann er keine personellen Entscheidungen ohne den Arbeitgeber treffen. Der Gesamtbetriebsrat ist jedoch nur zuständig, wenn eine Angelegenheit das gesamte Unternehmen betrifft und eine Regelung nicht durch einzelne Betriebsräte innerhalb der Betriebe erfolgen kann. Diese Voraussetzung trifft gerade auf die betriebsbedingten Kündigungen innerhalb einer Unternehmensinsolvenz zu.
Interessenausgleich und Sozialplan
Im Fall der Insolvenz von GKK wurde ein Interessenausgleich und Sozialplan vom zuständigen Gesamtbetriebsrat und dem Insolvenzverwalter bereits ausgehandelt. Danach besteht für Beschäftigte, die durch die Schließungen gekündigt werden müssen, die Möglichkeit das bisherige Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden und freiwillig für acht Monate in ein befristetes Arbeitsverhältnis bei einer Transfergesellschaft zu wechseln. So werden die ausscheidenden Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter bei einer Umorientierung auf dem Arbeitsmarkt zunächst durch verschiedene Qualifizierungsmöglichkeiten und Vermittlungsangebote weiter unterstützt. Ziel ist es, die Betroffenen vor einer drohenden Arbeitslosigkeit zu bewahren und in ein neues Arbeitsverhältnis zu bringen.
Diese Interimslösung kann durch die Gründung oder Beauftragung einer externen Transfergesellschaft erfolgen. In diesem Fall kommt es zum Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages und demnach zu einem Arbeitgeberwechsel. Das insolvente Unternehmen kann allerdings auch eine interne betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit bilden. Ein Arbeitgeberwechsel findet dann nicht statt, sondern die Versetzung erfolgt durch einen Änderungsvertrag oder eine sozial gerechtfertigte Änderungskündigung.
Vorteile von Transfergesellschaften
Der wesentliche Vorteil von Transfergesellschaften liegt für das Unternehmen in den umfangreichen Einsparungen, die durch die Vermeidung von Kündigungsschutzprozessen und durch die Bezuschussung der Bundesagentur für Arbeit erzielt werden können. Betroffene Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer können ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch die angebotenen Weiterbildungsmaßnahmen erheblich erhöhen und eine drohende Arbeitslosigkeit wird zunächst hinausgeschoben.
Bei einer internen betriebsorganisatorisch eigenständigen Transfergesellschaft kann zudem ein Anspruch auf Wiedereinstellung bzw. Weiterbeschäftigung bestehen, wenn bis zum Ablauf des Kündigungstermins oder des vereinbarten Vertragsendes ein freier Arbeitsplatz innerhalb des Unternehmens verfügbar ist. Nachteile bestehen für die Beschäftigten allerdings darin, dass eine gerichtliche Überprüfung der eventuellen betriebsbedingten Kündigung nicht stattfinden kann und es meist zu einer Gehaltsreduzierung während der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses in der Transfergesellschaft kommt.
US-Investor trifft auf deutsche Gewerkschaften
Mit der Übernahme durch NRDC Equity Partners trifft ein US-Investor nicht nur auf einen deutschen Betriebsrat, sondern mit ver.di auch auf eine Gewerkschaft, die Auseinandersetzungen nicht scheut. Die strikt getrennte Arbeitnehmerbeteiligung durch eine unternehmensübergreifend agierende Gewerkschaft und den intern auftretenden Betriebsrat gibt es in der Arbeitsrechtsordnung der USA nicht. Diese erkennt lediglich die Vertretung von Arbeitnehmerinteressen durch Gewerkschaft an. Der US-Investor muss sich bei GKK demnach auf das deutsche Betriebsratsmodell, welches auf einer vertrauensvollen und kooperativen Zusammenarbeit basiert, einlassen.
Konfliktpotential besteht insbesondere auch im Hinblick auf künftige Verhandlungen mit der Gewerkschaft ver.di. Insbesondere hinsichtlich der geplanten Sonntagsöffnungen könnte es zu Spannungen mit der Arbeitnehmerseite kommen. Betriebsräte und Gewerkschaften stehen der Sonntagsarbeit grundsätzlich skeptisch gegenüber und wollen Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer, die ohnehin unter herausfordernden Arbeitsbedingungen beschäftigt sind, weitestgehend vor einer 7-Tage-Woche schützen. Es wäre nicht das erste Mal, dass ver.di zur Vermeidung einer Arbeit an Sonntagen vor Gericht zieht.
Aber auch der US-Investor dürfte intensive Arbeitskämpfe und Auseinandersetzungen mit einer Gewerkschaft nicht scheuen, denn gerade die amerikanische Rechtsordnung ermöglicht es, dass Arbeitgeber und Gewerkschaft hart um die einzelnen Arbeitsbedingungen ringen. Inwieweit es zwischen den einzelnen Parteien zu einem kooperativen Umgang miteinander kommt, oder ob Verhandlungen letztlich in einem arbeitsrechtlichen „Kulturkampf“ enden, bleibt abzuwarten.
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Volker Serth ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Leiter der Praxisgruppe Arbeitsrecht bei der Kanzlei FPS in Frankfurt.