Studienabbrecher mit IT-Erfahrung bieten Unternehmen wertvolle Fähigkeiten, die oft unterschätzt werden. Sven Konzack, Geschäftsführer von Staffery, erklärt, wie Unternehmen ihre Rekrutierungsstrategien anpassen sollten, um diese Talente zu gewinnen und erfolgreich in Teams zu integrieren.
Die IT-Branche kämpft seit Jahren mit einem erheblichen Fachkräftemangel – Tendenz steigend. In diesem Kontext rückt eine oft übersehene Zielgruppe in den Fokus: Studienabbrecher mit IT-Hintergrund. Diese bringen oft praktische IT-Kompetenzen mit, die sie sich autodidaktisch angeeignet haben – legen jedoch weniger Wert auf akademische Theorie. Wie lassen sich diese potenziellen Fachkräfte erfolgreich rekrutieren und in bestehende Teams integrieren?
Die Zielgruppe der IT-Studienabbrecher
Studienabbrecher, die ihr Studium in einem IT-nahen Bereich nicht abgeschlossen haben, zeichnen sich oft durch eine starke Affinität zur Praxis aus. Sie verfügen meist über gute Programmierkenntnisse sowie über Erfahrung im Umgang mit Datenbanken, Netzwerken oder spezifischen Software-Tools. Doch trotz ihrer bereits erworbenen profunden Kompetenz erwies sich der akademische Weg für sie unter Umständen als nicht der richtige: Mitunter scheitert es an der theoretischen Tiefe oder den abstrakten Anforderungen, die im universitären Kontext an sie gestellt werden. Auch formelle Hürden können ein Grund für ihren Studienabbruch sein.
Recruiting: Studienabbrecher erfolgreich ansprechen
Um autodidaktisch versierte IT-Fachkräfte mit abgebrochenem Studium gezielt zu erreichen, müssen Unternehmen ihre Recruiting-Strategien unter Umständen entsprechend justieren. Folgende Punkte sind von Bedeutung:
- Anpassung von Stellenanzeigen: Unternehmen sollten ihre Jobprofile so gestalten, dass praktische Erfahrung und konkrete IT-Skills im Vordergrund stehen, nicht formale Bildungsabschlüsse. Wenn Stellenanzeigen klar signalisieren, dass auch Studienabbrecher willkommen sind, sofern sie relevante Erfahrungen mitbringen, gewinnen Firmen das Interesse dieser Zielgruppe.
- Direktansprache an Hochschulen, auf IT-Veranstaltungen und in Online-Foren: Viele IT-Spezialisten sind bereits während des Studiums – oder nach dessen Abbruch – in studentischen Projekten, auf Veranstaltungen wie Hackathons und Barcamps oder auch in Online-Foren aktiv. Unternehmen sollten diese Kanäle nutzen, um gezielt Talente anzusprechen.
- Bannerwerbung in Campusnähe: Banner auf dem Campus oder in der Nähe von Universitäten können eine effektive Methode sein, um bereits potenzielle Abbrecher anzusprechen. Solche Banner sollten die klare Botschaft vermitteln, dass das Unternehmen praxisorientierte Talente sucht, die ihre Fähigkeiten in einem dynamischen und innovativen Umfeld einsetzen möchten – unabhängig von einem Studienabschluss.
- Word-of-Mouth-Marketing: Weiterempfehlungen durch eigene Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner sind ein Klassiker im Recruiting. Im Zuge der anhaltenden Akademisierung kennt nahezu jeder jemanden, der mit seiner Studienwahl unzufrieden ist oder sein Studium abgebrochen hat. Auch Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter-Programme sind ein interessantes Tool.
- Kontakt mit Anlaufstellen: Um mit potenziellen Studienaussteigern in Kontakt zu treten, können Unternehmen verschiedene Anlaufstellen kontaktieren: Dazu gehören beispielsweise die Studienberatung, Studienausschüsse oder die Sozialbetreuung an Hochschulen. Auch die zuständige Kammer, die Agentur für Arbeit und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bieten Unterstützung und wertvolle Kontakte.
Einarbeitung und Weiterbildung: Talente nachhaltig fördern
Der Einstieg in ein Unternehmen kann für Studienabbrecher eine Herausforderung darstellen, insbesondere wenn sie aus einem eher selbstbestimmten, projektorientierten Umfeld kommen. Um ihre Integration zu erleichtern, ist an folgende Aspekte zu denken:
- Direkteinstieg und individuelle Einarbeitung: Eine strukturierte, aber flexible Einarbeitung ist beim Direkteinstieg entscheidend. Mentoring-Programme können hierbei eine wichtige Rolle spielen, indem sie den Neulingen helfen, sich in der Unternehmensstruktur zurechtzufinden und ihre Stärken gezielt einzubringen.
- Praxisnahe Einstiegsprogramme: Trainee-Programme oder Ausbildungsgänge, die einen flexiblen Einstieg in das Unternehmen bieten, sind eine gute Möglichkeit, um Studienabbrecher zu gewinnen. Hier beweisen die Kandidaten ihre Fähigkeiten in einem praxisnahen Umfeld und lernen gleichzeitig die Unternehmenskultur kennen. Sofern die benötigten Skills bereits mitgebracht werden, ist dieser Umweg nicht zwingend erforderlich.
- Weiterbildung und Entwicklungsmöglichkeiten: Unternehmen sollten gezielte Weiterbildungsmöglichkeiten anbieten, um die Kenntnisse von Studienabbrechern zu vertiefen und sie auf spezifische Unternehmensanforderungen vorzubereiten. Insbesondere praxisnahe Schulungen und Zertifizierungen können hier wertvoll sein.
- Integration in bestehende Teams: Studienabbrecher bringen oft eine frische Perspektive und unkonventionelle Lösungsansätze mit: das kann für Teams eine Bereicherung darstellen. Es ist jedoch wichtig, dass diese neuen Mitarbeiter nicht als „Quereinsteiger“ stigmatisiert werden, sondern von Anfang an als vollwertige Mitglieder des Teams anerkannt werden.
Unternehmenskultur: Offenheit und Flexibilität fördern
Darüber hinaus ist eine Unternehmenskultur, die Studienabbrechern den Einstieg erleichtert, von entscheidender Bedeutung. Dazu gehören flache Hierarchien und flexible Arbeitsmodelle. Da viele Studenten bereits in Projekten gearbeitet haben, ist es sinnvoll, ihnen projektorientierte Aufgaben als Einstieg anzubieten, bei denen sie ihre Stärken direkt einbringen und Erfolgserlebnisse sammeln können. Außerdem ist es wichtig, ihre praktischen Fähigkeiten und Beiträge zum Unternehmen angemessen zu würdigen. Regelmäßige Anerkennung und die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen, fördern ihre Motivation und binden sie langfristig an das Unternehmen.
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Sven Konzack ist Geschäftsführer der Staffery GmbH. Die Technologien des Start-ups aus Berlin helfen dabei, Recruiting effizienter, schneller und transparenter zu machen.