Wie gelingt die Integration von KI-Tools, ohne die Beschäftigten zu überfordern? Der Schlüssel: Es geht nur gemeinsam. Susanne Auer, Head of Talent Development bei Tata Consultancy Services, zeigt, welche Schritte HR-Verantwortliche beachten sollten, um die KI-Transformation erfolgreich und mitarbeiterorientiert zu gestalten.
Berufe und Arbeitstools sind einem stetigen Wandel unterworfen – das war schon immer so. Während der Automechaniker früher noch mit Schraubenschlüssel und Muskelkraft an Fahrzeugen arbeitete, analysiert er heute komplexe Fehlermeldungen mithilfe von Diagnosesoftware. Doch im Zeitalter der disruptiven Technologien, insbesondere der Künstlichen Intelligenz, ist die Geschwindigkeit des Wandels beispiellos. Allein im Verwaltungs- und Bürobereich, sowie in der Produktion wird die Transformationskraft durch KI als sehr hoch eingeschätzt und Tätigkeiten verändern sich durch den zunehmenden Automatisierungsgrad.
Aber KI modernisiert nicht nur etablierte Arbeitsprozesse, sondern erfordert auch eine strategische Neuausrichtung der Lernmethoden. Die traditionelle, einmalige Wissensvermittlung wird den Anforderungen der dynamischen KI-Landschaft nicht mehr gerecht. Kontinuierliches Lernen, am sinnvollsten als „Learning by Doing“, ist entscheidend, um wettbewerbsfähig zu bleiben und das volle Potenzial von KI auszuschöpfen. Aber was bedeutet das für Arbeitnehmer konkret und welche Verantwortung muss der Arbeitgeber in der KI-Transformation übernehmen?
Im Skill-Set der Zukunft: Soft Skills

Diskussionen um spezifische KI-Kompetenzen für zukünftige Karrieren greifen zu kurz und vernachlässigen oft die grundlegenden Voraussetzungen. Die Entwicklung eines eigenen Future-Skill-Profils erfordert weiterhin vor allem Soft Skills. Insbesondere die Bereitschaft der Arbeitnehmer, offen für Neues zu sein, ist essenziell. Neugier fördert selbstgesteuertes Lernen und überwindet die natürliche Angst vor unbekannten Themen und Tools.
Ein Vorteil der KI: Sie beschränkt sich nicht auf die Arbeitswelt. Im Privatleben hat die Technologie bereits zahlreiche Anwendungsbereiche erschlossen und verbessert die Lebensqualität – Smart Home Technologien und Sprachassistenten, die aus unseren Gewohnheiten lernen, sowie personalisierte Empfehlungen für einen gesünderen Lebensstil im Gesundheits- und Fitnessbereich sind Beispiele dafür. Diese positive Erfahrung mit KI im privaten Umfeld gilt es nun, in die Arbeitswelt zu übertragen.
Eine erfolgreiche KI-Integration in drei Schritten
Um Überforderungen im Umgang mit neuen Tools oder Ängste vor einem Jobverlust zu vermeiden, ist es unerlässlich, dass Arbeitgeber eine offene und unterstützende Unternehmenskultur fördern, die Arbeitnehmer aktiv mitgestalten können. Bei der nachhaltigen Integration von KI-Tools müssen Unternehmen besonders drei Schritte beachten:
1. Awareness schaffen:

Für eine gelungene KI-Transformation ist es entscheidend, die Arbeitnehmer von Beginn an in den Veränderungsprozess mit einzubeziehen. Das bedeutet: Eine offene Kommunikation, die sowohl die Beweggründe für die Einführung von KI als auch die konkreten Vorteile für jeden Einzelnen aufzeigt. Folgende Fragen sollten im Mittelpunkt stehen:
- Aus Sicht der Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer: Welche Gründe sprechen für die Notwendigkeit, sich neue Tools anzueignen? Welche Vorteile bietet die KI-Anwendung für die eigene Arbeit? Wie wird der Lernprozess in den Arbeitsalltag integriert?
- Aus Sicht des Arbeitgebers: Welche strategischen Ziele verfolgt das Unternehmen mit diesem Veränderungsprozess? Welche konkreten Ergebnisse sind zu erwarten? Wie gestaltet das Unternehmen den Umsetzungsprozess und welche möglichen Herausforderungen müssen berücksichtigt werden?
2. Individualisierte Lernpfade erstellen:
Einer erfolgreichen Weiterbildung geht eine differenzierte Betrachtung der Lernbedürfnisse voraus. Denn jede Belegschaft ist heterogen und vereint verschiedene Lerntypen, Vorkenntnisse und Interessen. Das erfordert maßgeschneiderte Lernangebote, die sowohl Anfänger als auch Fortgeschrittene ansprechen. Gleichzeitig sollte berücksichtigt werden, dass Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer unterschiedliche Lernpräferenzen haben. Während manche selbstgesteuerte Schulungen bevorzugen, durchlaufen andere Kolleginnen / Kollegen den Lernpfad lieber in der Gruppe mit Mentoren.
3. Kompetenzen sicher aufbauen:

Der dritte Schritt im Rahmen einer KI-Transformation ist einer der herausforderndsten: Wie gelingt es nun, die Schulungen in die bestehende Infrastruktur einzubetten und das Gelernte in die Praxis zu überführen? Im Gesamtkonzept ist es wichtig, den Mitarbeiterinnen / Mitarbeitern Perspektiven aufzuzeigen.
Bei uns hat sich bewährt, Kompetenzen klar festzulegen: Wir analysieren den Kompetenzbedarf der einzelnen Jobprofile, definieren die zu erwerbenden Kompetenzen und kuratieren bzw. entwickeln spezifische Trainingsangebote. Um den Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmern den angstfreien Umgang mit den neuen Tools zu ermöglichen, sind außerdem geschützte Playgrounds wichtig. In diesen virtuellen Umgebungen können die Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter im Rahmen von „Learning by Doing“ praxisnahe Erfahrungen sammeln und das Gelernte frei erproben.
Im KI-Zeitalter sind klare Strukturen und aufgeschlossene Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter entscheidend. Ihre Zustimmung lässt sich weiter erhöhen, wenn Unternehmen ihnen im Rahmen der Trainingsprogramme eine gewisse KI-Eigenverantwortung übertragen: Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer identifizieren ihre Herausforderungen und prüfen, wie KI-Tools diese lösen können. Diese Mitgestaltung ist ein klarer Gewinn für beide Seiten, besonders relevante Use Cases werden anschließend unternehmensweit eingeführt.
Strategische KI-Transformation – Fazit
Wie wichtig es ist, die KI-Transformation intensiv zu begleiten, zeigt auch die Studie „TCS AI for Business“: Führungskräfte erwarten, dass die Auswirkungen der KI größer oder gleich groß sein werden wie die des Internets (54 Prozent) und des Smartphones (59 Prozent) – was eine proaktive und mitarbeiterzentrierte Umsetzung unerlässlich macht.
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Susanne Auer ist Head of Talent Development Central Europe bei der Tata Consultancy Services (TCS). In dieser Rolle ist sie unter anderem verantwortlich für die Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter, in den Bereichen technische Skills, prozessuale Kompetenzen, Industriewissen, sowie Leadership und kulturelle Skills. Bevor sie zu TCS kam, war sie bei verschiedenen internationalen Unternehmen verantwortlich für Themen wie Talent Management, Talent Development und Organizational Change Management.