Ideen von morgen entstehen durch neue Formen der Zusammenarbeit. Wie es als Führungskraft gelingt, Netzwerke aufzubauen, zu erhalten und andere zum Netzwerken zu befähigen, erfahren Sie in dieser Kolumne von Sarah Lange, Managerin People & Organizational Development bei MHP.
In den vergangenen Jahren sind immer mehr über Professionen hinausgehende Netzwerke entstanden, die Raum für einen offenen Diskurs gesellschaftlich, wirtschaftlich oder politisch relevanter Inhalte schaffen. Hier schließen sich Menschen partnerschaftlich zusammen, tauschen sich aus und entwickeln gemeinsam Ideen. Je mehr Partner und Interaktionen, desto größer der „Netzwerkeffekt“. Bedeutet: Gruppen beeinflussen und fördern sich gegenseitig, sodass das gesamte Netzwerk erfolgreicher ist und wächst.
Ziel ist es, durch übergreifende Netzwerke möglichst viele verschiedene Perspektiven und Stimmen zu vereinen sowie Wissen und Ressourcen zu bündeln. Dadurch werden individuelle oder kollektive Vorhaben gegenseitig gestärkt, erhalten mehr Sichtbarkeit und Reichweite. Ein gutes Netzwerk ist vor allem dort wichtig, wo kreative Ideen und innovative Lösungen gefragt sind. In Ko-Kreation können leichter und schneller Gestaltungsfelder entdeckt, neue Ansätze und Konzepte entwickelt und Möglichkeiten zur Implementierung abgeleitet werden, die vorher nicht ersichtlich waren.
Netzwerke im Unternehmenskontext schaffen und nutzen
Netzwerken spielt eine entscheidende Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, da es ihnen ermöglicht, Wissen, Ressourcen und Chancen effektiver zu nutzen. Im Idealfall werden Teams nicht nach Firmen- oder Abteilungszugehörigkeit zusammengestellt, sondern nach fachlicher Kompetenz. Je heterogener das Team des Netzwerkes ist, desto kreativer und innovativer sind erfahrungsgemäß die Arbeitsergebnisse.
Ein herausragendes Beispiel stellt die punktuelle Zusammenarbeit von Apple und Nike dar. Gemeinsam verfolgten sie die Vision, den idealen Begleiter für Läufer zu entwickeln. Apple brachte seine technologische Expertise, insbesondere im Bereich der Apple Watch, ein, während Nike auf seine jahrzehntelange Erfahrung in der Sportbekleidungsbranche zurückgriff.
Durch die Bündelung ihrer Kompetenzen und den gezielten Austausch von Wissen und Ressourcen gelang es den beiden Unternehmen, das Nike+ System und die Apple Watch Nike+ zu entwickeln. Diese Lösung bietet Läufern nicht nur ein nahtloses Nutzererlebnis, sondern auch umfassende Daten, die das Training optimieren.
Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, wie durch strategische, netzwerkbasierte Zusammenarbeit Innovationen entstehen können, die für beide Partner entscheidende Wettbewerbsvorteile schafften.
Voraussetzungen für die Schaffung und Nutzung solcher Netzwerke sind: eine klare Vision, die Definition gemeinsamer und organisationsübergreifender Ziele sowie ein lean-agiles Organisationsmodell (wie das „Scaled Agile Framework“), das auf gemeinsame Prinzipien und Methoden der Zusammenarbeit basiert. Dazu gehören gemeinsam festgelegte Rollen, Prozesse und Routinen. Entscheidungen werden dezentral dort getroffen, wo die Wertschöpfung entsteht und das entsprechende Expertenwissen vorhanden ist. Den Mitarbeitende im gesamten Netzwerk wird damit ein hoher Grad an Autonomie und Selbstbestimmung ermöglicht.
Zum Netzwerken befähigen
Neue Formen der Zusammenarbeit zu implementieren, erfordert achtsame Führungskräfte mit der Fähigkeit, über den Tellerrand zu blicken. Essentiell ist eine offene und neugierige Haltung, verbunden mit dem Grundgedanken, dass man immer voneinander lernen kann – unabhängig vom Alter, der Position oder dem fachlichen Background. Wer neugierig und offen für Neues ist, tut sich leichter, sich mit anderen auszutauschen und voneinander zu lernen.
Die Einstellung, mit- und nicht gegeneinander zu arbeiten, ist ohnehin Fundament jeder erfolgreichen Netzwerkbildung. Nur wer bereit ist, sein Wissen zu teilen, Ratschläge zu geben und andere zu unterstützen, knüpft nicht nur oberflächliche Kontakte, sondern baut langfristige vertrauensvolle Beziehungen auf. Wenn Führungskräfte mit dieser Haltung das Netzwerken vorleben, kreieren sie ein Arbeitsumfeld, in dem Mitarbeitende sich ein solches Verhalten abschauen können. Wichtig ist dabei auch, über die reine Geschäftsbeziehung hinaus zu denken und ehrliches Interesse am Gegenüber, seinen Projekten und Zielen zu zeigen.
Netzwerken lernen
In Workshops und Trainings können auch Menschen ans Netzwerken herangeführt werden, die sich damit schwertun. Welches Mindset braucht es? Wie verständigt man sich im Vorfeld auf gemeinsame Werte? Wie schafft man eine offene und transparente Kommunikation? Wie kreiert man einen Safe Space, in dem sich alle Netzwerkmitglieder wohlfühlen? Wie baut man Vertrauen untereinander auf und hält es aufrecht? Wie geht man neutral mit unterschiedlichen Unternehmens- und Abteilungskulturen um? All das sind Fragen, die mit erfahrenen Beratern erarbeitet werden können. Sie unterstützen Teams auch, Rollen wie „Netzwerktreiber“, „Koordinator“ oder „Entscheidungsträger“ zu klären – so nimmt jeder Mitwirkende genau die Rolle im Netzwerk ein, mit der er oder sie sich wohlfühlt.
Gerade für Führungskräfte bietet sich die Rolle des „Netzwerktreibers“ an. Sie können eine netzwerkfördernde Haltung vorleben und dazu ermutigen, Ideen, Bedenken und Herausforderungen im Team zu besprechen und Aufgaben gemeinsam zu erledigen. In speziellen Führungskräftetrainings lernen sie, diese neue Rollen und Führungsstile zu entwickeln und zu festigen.
Netzwerke erhalten
Eine klare Vision und daran angeknüpft konkret formulierte Ziele sind entscheidend für den Aufbau und die Aufrechterhaltung eines erfolgreichen Netzwerkes. Diese muss dabei nicht nur allgemeine Ziele, sondern auch einen konkreten Nutzen für alle Beteiligten deutlich machen. Ohne eine klare Ausrichtung verliert das Netzwerk an Bedeutung und die Menschen driften auseinander.
Die Vision dient als Zielbild, um sicherzustellen, dass alle Aktivitäten innerhalb des Netzwerkes auf das Erreichen dieser Vision ausgerichtet sind. Besonders erfolgversprechend sind Visionen/Zielbilder, die mit echten Emotionen verbunden sind. Wenn einem regelrecht das Herz aufgeht, allein bei dem Gedanken, die Vision eines Tages erreicht zu haben, dann ist sie genau richtig!
Eine regelmäßige Überprüfung und mögliche Anpassung der daran angeknüpften Ziele sind dabei von großer Bedeutung, um sicherzustellen, dass sie weiterhin den aktuellen Bedürfnissen und der Vision der Netzwerkmitglieder entsprechen.
Die Bereitstellung regelmäßiger Updates und klarer Informationen ist eine weitere Schlüsselkomponente. Wenn Mitglieder über den Fortschritt, die Ziele und die Entwicklungen des Netzwerks gut informiert sind, fühlen sie sich befähigt und ermutigt, sich aktiv einzubringen.
Netzwerkorganisation als Schlüsselfaktor
Nutzen organisatorischer Netzwerke entsteht auf drei Ebenen: unternehmensübergreifend, abteilungsübergreifend und im Team. Für ortsungebunden arbeitende Menschen entsteht durch vernetztes Arbeiten ein starkes Zugehörigkeitsgefühl zu allen im Netzwerk beteiligten Personen und somit auch das Commitment hinsichtlich der Organisation. Eine zielgerichtete netzwerkbasierte Zusammenarbeit hat damit das Potenzial, im Unternehmen Innovationskraft, Effizienz und Produktivität zu steigern und somit Wettbewerbsvorteile zu erzielen.
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Dr. Sarah Lange ist seit 2019 bei MHP im Cluster People & Organization und im Team Organizational Transformation tätig. In ihrer Rolle als Portfolioentwicklerin arbeitet sie aktuell an einem Beratungsansatz zum Thema mentale Gesundheit in Unternehmen und Organisationen. Vor ihrer Tätigkeit bei MHP hat Sarah Lange am Lehrstuhl für Personalentwicklung und Change Management der TU Dortmund zu wirtschaftspsychologischen Fragestellungen geforscht und gelehrt.