Gehen oder bleiben? Als Führungskraft den Wechsel planen

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Welche Fragen sich Führungskräfte vor einem Wechsel stellen sollten, erläutert Claus Verfürth, Geschäftsführer und Partner bei The Boardroom.

Wenn es eine Konstante gibt, die unsere Zeit am meisten prägt, dann ist wohl die Veränderung selbst. Fast alle Unternehmen sehen sich nicht erst seit dem vergangenen Jahr mit zum Teil extremen Veränderungen konfrontiert – sei es in strategischer oder auch struktureller Hinsicht. Angesichts des anstehenden Wandels überrascht es nicht, dass Führungskräfte immer häufiger über ihre eigene Position und ihre berufliche Zukunft nachdenken. Aber wann ist der richtige Zeitpunkt, das Unternehmen zu wechseln, um etwa eine neue Aufgabe in einem anderen Umfeld zu übernehmen? Welche Aspekte sollten bei der Entscheidung noch berücksichtigt werden?

Kündigen oder Warten?

Der tiefgreifende und sich immer schneller vollziehende Wandel bringt Führungskräfte häufiger in die Situation, ihre eigene Position zu überdenken und sich zu fragen: Ist das noch „mein“ Unternehmen? Gleichzeitig geht damit der Wunsch einher, nicht darauf warten zu wollen, dass das Unternehmen ihnen die Botschaft von der Trennung mitteilt. Darum überdenken Führungskräfte vermehrt ihre Rolle, ihre Kompetenzen sowie ihren Mehrwert für das Unternehmen und den Arbeitsmarkt.

Demgegenüber steht die strategische Überlegung, lieber ein Trennungsangebot des Arbeitgebers abzuwarten, um möglicherweise noch eine Abfindung zu erhalten. Viele denken „Wenn sie mich loswerden wollen, müssen sie zahlen.“ Manch einer hofft vielleicht sogar darauf, dass sich das Aufhebungsangebot in der Gesamtsumme erhöht, wenn man nur lang genug wartet. Die Erfahrung zeigt, dass diese Hoffnung sich in den meisten Fällen als fataler Trugschluss erweist.

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Schonungslose Standortbestimmung schafft die Entscheidungsgrundlage

Da Abwarten und Aussitzen also nicht infrage kommen, ist es vielmehr entscheidend, den richtigen Zeitpunkt zum Jobwechsel selbst zu bestimmen. Dies gelingt nur mit einer schonungslosen Standortbestimmung. Dabei stellen sich ganz grundlegende Fragen wie die, ob man im aktuellen Unternehmen überhaupt noch an der richtigen Stelle ist. Führungskräfte müssen sich ebenfalls fragen: Will oder kann ich die anstehenden Veränderungen mittragen? Werden meine Kompetenzen und Skills weiter benötigt? Inwieweit habe ich im restrukturierten Unternehmen oder in den Zeiten veränderter Geschäftsmodelle noch einen Platz?

Sollten sich keine eindeutigen Antworten finden, die für ein Verbleiben im Unternehmen sprechen, drängt sich die nächste Frage auf: Wo könnte ich meine Karriere besser fortsetzen? So verständlich diese Überlegungen auch sein mögen, sind die Gedankenspiele rund um einen möglichen Wechsel nicht ganz unproblematisch.

Warum ein Wechselwunsch Diskretion erfordert

Insbesondere wenn Führungskräfte ihre aktuellen Marktchancen testen wollen, um sich Klarheit über ihre Optionen und potenziellen Alternativen zu verschaffen, muss dies unbemerkt geschehen. Zu groß ist das Risiko, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Kolleginnen und Kollegen vom Wechselwunsch erfahren und in der Folge Gerüchte in Umlauf bringen. Allein der Anschein einer aktiven Suche nach einem neuen Arbeitgeber kann gravierende Auswirkungen auf die Arbeitsmoral und die Motivation der Belegschaft haben. Noch gefährlicher ist es, wenn Vorgesetzte darüber Kenntnis erlangen.

Der Austausch mit einem neutralen Sparringspartner bietet Diskretion

Wenn große Entscheidungen wie die über das Ausscheiden aus dem eigenen Unternehmen anstehen, geht nichts über den persönlichen Austausch mit einer Person des Vertrauens. Zugleich ist es wichtig, einen Sparringspartner zu konsultieren, der sich im Markt und mit den Mechanismen auf dieser Ebene auskennt. Aufgrund der Sensibilität der Fragestellung sollten diese Gespräche in einem geschützten Rahmen ablaufen und in jedem Fall mit einer Person außerhalb des eigenen Unternehmens stattfinden.

Diskretion sollte bei einem aufkommenden Wechselwunsch stets die oberste Priorität haben. Denn im schlimmsten Fall erfährt der aktuelle Arbeitgeber zur Unzeit davon und wird von seiner Seite unangenehme Fragen stellen. Der Wechsel aus einer souveränen und gesicherten Position heraus ist einem unfreiwilligen Wechsel unter allen Umständen vorzuziehen.

Klarheit ist die beste Antwort auf Veränderung

Unentschiedenheit ist ebenso zu vermeiden wie vorschneller Aktionismus. Wenn große Veränderungen anstehen, ist es in jedem Fall lohnend, sich Klarheit darüber zu verschaffen, wie sich die aktuelle Situation im Unternehmen tatsächlich darstellt, welche Auswirkungen absehbar sind und welche Optionen zur Verfügung stehen. Zu einem umfassenden Assessment der eigenen Situation gehört selbstverständlich auch der Blick in die Zukunft.

Führungskräfte, die sich gedanklich mit einem Wechsel befassen, müssen sich fragen, was sie mittel- bis langfristig beruflich erreichen wollen und welche Schritte notwendig sind, um diese Ziele zu realisieren. Was ist für mich in der aktuellen Situation überhaupt der richtige nächste Schritt? Benötige ich neues Wissen, um mich strategisch besser positionieren zu können?

Darum prüfe, wer sich ewig scheidet

Mindestens ebenso wichtig wie ein umfassendes persönliches Assessment ist die Prüfung aller arbeitsrechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte, die eine Trennung mit sich bringt. Gerade bei Topmanagern können sich Kündigungsfristen mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit verlängern. Dabei sind Kündigungsfristen von sechs Monaten und mehr nicht unüblich. Darüber hinaus sollten Stichtagsregelungen, Fristen und vertragliche Klauseln geprüft und in die Entscheidung mit einbezogen werden. Nicht selten spielen solche Fristen oder Stichtage bei Altersversorgungsansprüchen, Long-Term-Incentives oder Halteprämien. Daraus können wesentliche Nachteile entstehen, die – sofern möglich – unbedingt vermieden werden sollten.

Berufliche Umbruchsituationen bieten stets auch die Möglichkeit, eine Kurskorrektur vorzunehmen oder lange verschobene Pläne wiederaufzunehmen. Besonders bei einem freiwilligen Ausscheiden aus einer bestehenden Position heraus schaffen Klarheit, Diskretion und eine umfassende Vorbereitung die Grundvoraussetzung für einen gelungen Wechsel.

Foto Claus Verfürth

Claus Verfürth ist Geschäftsführer und Partner bei The Boardroom, dem Beratungsbereich für Top-Manager in der von Rundstedt Gruppe. Mit seiner Expertise begleitet er Topmanager in unterschiedlichen Phasen ihrer Karriere. Egal, ob sie eine neue Position suchen oder sich in ihrem Unternehmen entwickeln möchten.

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