Führen in der Krise: empathisch, zuversichtlich, entschlossen

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Das Team stärken, Resilienz fördern, Effizienz bewahren – in Krisenzeiten gelten für Führungskräfte andere Regeln als in ruhigen Phasen. Kaan Bludau, Geschäftsführer von BludauPartners Executive Consultants, erklärt, worauf es beim Führen in der Krise ankommt, welche Fähigkeiten jetzt besonders gefragt sind und wie es um die Wechselbereitschaft von Führungskräften steht.

Dynamik, Stapelkrisen, hohe Veränderungsdichte – gepaart mit einem globalen Abschwung. Unternehmen und ihre Führungskräfte stehen vor enormen Herausforderungen. Bewährte Prozesse und Managementmethoden müssen teils völlig neu ausgerichtet werden.

Die wachsende Ungewissheit und die tiefgreifenden Marktveränderungen zwingen Unternehmen dazu, Führung neu zu definieren. Führungskräfte müssen einerseits Produktivität und Engagement im Team aufrechterhalten, andererseits den steigenden Transformationsbedürfnissen der Mitarbeitenden gerecht werden. Diese Anforderungen an Führen in der Krise stehen oft in einem Spannungsverhältnis.

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Neue Kapitäne statt nur Lotsen – Welche Skills Führen in der Krise braucht

Führen in der Krise: empathisch, zuversichtlich, entschlossen
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Oft reicht es daher nicht, dass Unternehmen die neue wirtschaftliche Phase mit leichten Anpassungen ihrer Führungsriege begegnen. Auf größere Entwicklungen muss aus Sicht der Organisation auch mit entsprechenden mutigen Fragen reagiert werden: Habe ich an den richtigen Stellen die richtigen Führungskräfte mit den für diese Phase richtigen Skills sitzen? Benötigt man für Führen in der Krise andere Kompetenzen als noch Monate zuvor? Und wie sollen diese benötigten Fähigkeiten in die Führung integriert werden?

Unternehmen müssen also identifizieren, was jetzt gebraucht wird und analysieren, ob diese Skills für den wirtschaftlichen Abschwung innerhalb des bestehenden Führungspersonals – oder auch in den Ebenen darunter – vorhanden sind oder man neue Managerinnen / Manager von außen mit besser passenden Kompetenzen benötigt. Zurzeit kann man beobachten, dass sich das Anforderungsprofil in Richtung folgender Fähigkeitsbedürfnisse verschiebt und Managerinnen / Manager gefragt sind, die:

  • Krisenmanagement-Kompetenzen mitbringen: Die Fähigkeit, schnell und effektiv auf Unsicherheiten und Herausforderungen zu reagieren, wird essenziell. Führungskräfte müssen Entscheidungen treffen, die nicht nur kurzfristig Stabilität schaffen, sondern auch langfristig die Resilienz des Unternehmens in einer Rezession stärken.
  • Zuversicht ausstrahlen: Zuversicht fördert Resilienz, Leistungsfähigkeit und Sicherheit am Arbeitsplatz. Führungskräfte, die Zuversicht ausstrahlen, stärken nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Teams und damit auch die gesamte Organisationen. Unternehmen müssen gute Mitarbeitende in schlechten Zeiten umso dringender an Bord halten. Managerinnen und Manager fungieren als Botschafter für Mitarbeitende, Investoren und Geschäftspartner, die Sicherheit verkörpern.
  • Ambidextrie-Kompetenz besitzen: In einem Umfeld sinkender Gewinne ist es entscheidend, unnötige Ausgaben zu minimieren, ohne die Innovationskraft zu gefährden. Besonders gefragt sind Führungskräfte, die effektiv wirtschaften können, ohne dabei Zukunftsthemen zu vernachlässigen.
  • Kommunikationsstark sind: In Krisenzeiten benötigen Mitarbeitende Orientierung, klare Ziele und Transparenz. Eine klare, authentische Kommunikation stärkt das Vertrauen und hilft, das Team durch schwierige Phasen zu führen.
  • Emotionale Intelligenz zeigen: Unsicherheit und Druck wirken sich auch auf die Belegschaft aus. Empathie und die Fähigkeit, ein positives Arbeitsumfeld zu fördern, gewinnen in der Führung zunehmend an Bedeutung, wenn ein Abschwung vorliegt.

Diese Veränderungen führen derzeit dazu, dass Unternehmen stärker eine adaptive Kultur entwickeln müssen, bei der Führungskräfte nicht nur auf Veränderungen reagieren, sondern vielmehr auch proaktiv neue Chancen identifizieren und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten proaktiv erschließen.

Krisenwahrnehmung und Führungsverhalten

Führen in der Krise: empathisch, zuversichtlich, entschlossen
Envato/nenetus

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten zeigt sich häufig, dass die Führungskräfte im Vergleich zu den Mitarbeitenden eine ausgeprägtere Krisenwahrnehmung haben. Dies wiederum wirkt sich auch auf deren Führungsverhalten aus: Führungskräfte tendieren in einer wirtschaftlichen Krisensituation zu einem eher autoritär-geprägten Führungsstil, während die Mitarbeitenden in der selben Wirtschaftslage eher nach Orientierung und klaren Strukturen verlangen.

Führungskräfte passen ihr Verhalten zudem stärker als Mitarbeitende an die jeweiligen unternehmensspezifischen Gegebenheiten an – da sie diese ja auch besser kennen und Zusammenhänge verstehen.

Dabei fokussieren sich Führungskräfte auf strategische Prioritäten und konzentrieren sich auf die Kernbereiche des Unternehmens, die auch in schwierigen Zeiten Wachstum oder Stabilität versprechen. Projekte mit geringem kurzfristigem Nutzen werden oftmals zurückgestellt.

Zudem handeln Führungskräfte risikobewusster und agieren vorsichtiger, insbesondere in Bereichen wie Investitionen, Neueinstellungen und Expansionsentscheidungen. Ein ausgeprägtes Risikomanagement steht für sie im Vordergrund. Je nach Unternehmenssituation sind sicherlich Kosteneffizienz und Restrukturierungen notwendig, hierbei sollten jedoch auch die qualitativen Aspekte einer derartigen Veränderung berücksichtigt werden.

Managerinnen / Manager die unter den aktuell ungewissen, dynamischen Rahmenbedingungen ein gewisses Maß an Stabilität vermitteln wollen, zeigen in authentischer, vertrauensvoller und klarer Art und Weise auf, warum Mitarbeitende zuversichtlich in die Zukunft bzw. auf die Entwicklung des Unternehmens blicken können. Gerade solch vermittelte attraktive und zuversichtsorientierte Zukunftsbilder haben eine wichtige stabilisierende Funktion in einem von Wandel geprägtem Umfeld.

Bleiben oder gehen? Wechselbereitschaft in Krisenzeiten

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Stabilität wird natürlich auch durch eine geringere Fluktuation der Führungsmannschaft vermittelt. Ein interessanter Aspekt in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist daher die Frage, ob Führungskräfte eher an ihrer aktuellen Position festhalten oder neue Herausforderungen suchen. Aus der Vielzahl der Beratungsmandate, den Gesprächen mit Entscheidern und Top-Führungskräften lassen sich aktuell die folgenden Erkenntnisse abhängig von dem jeweiligen Unternehmenskontext ableiten:

Führungskräfte in Unternehmen, die von der Krise besonders stark betroffen sind oder keine klare Strategie zur Bewältigung erkennen lassen, sind eher bereit, neue Chancen zu suchen. Sie suchen häufig neue Karriereperspektiven in einem stabileren Umfeld und zeigen eine höhere Wechselbereitschaft bei langfristig unsicherer Perspektive.

Wird die aktuelle Unternehmenssituation tendenziell eher als eine kurzfristige wahrgenommen, so sind Führungskräfte zurückhaltender bei neuen Opportunitäten. Führungskräfte scheuen vor einem Wechsel zurück, da Unsicherheiten auch mit neuen Positionen verbunden sind. Ein vertrautes Umfeld mit etablierten Beziehungen wird oft als sicherer eingestuft. Im Vergleich hierzu sind Unternehmen mit klarem Purpose, einer klaren Vision und gelebten Werten, unabhängig von der momentanen Unternehmenssituation attraktiv für wechselbereite Managerinnen / Manager. Diese suchen nach Organisationen, die ihnen Möglichkeiten bieten, sich einzubringen und einen echten Unterschied zu machen.

Neben den skizzierten Entwicklungen nehmen wir auch einen Anstieg von Interim-Management-Rollen wahr. In Krisenzeiten wird ein temporärer Wechsel für manche Führungskräfte attraktiver. Interim-Positionen bieten die Möglichkeit, in herausfordernden Situationen zu arbeiten, ohne langfristige Verpflichtungen einzugehen. Die Wechselbereitschaft von Managerinnen / Manager hängt somit stark von den individuellen Präferenzen beziehungsweise Perspektiven der Führungskräfte und den Bedingungen in ihren aktuellen Unternehmen ab.

Führen in der Krise: Stabilität sichern, Transformation erleichtern

Die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändern die Anforderungen an Führungskräfte und ihr Verhalten erheblich. Unternehmen setzen verstärkt auf flexible, empathische und strategisch denkende Führungspersönlichkeiten, die in der Lage sind, in einer von Unsicherheiten geprägten Welt zu navigieren und gleichzeitig die sich bietenden Chancen zu nutzen. Führungskräfte selbst zeigen ein angepasstes Verhalten, das von vorsichtigem Risikomanagement bis hin zur Stärkung von Teams und Unternehmenskultur reicht.

Die Wechselbereitschaft von Managerinnen / Managern ist ambivalent: Während einige die Unsicherheiten zum Anlass nehmen, neue Perspektiven zu suchen, halten andere an bewährten Strukturen fest. Entscheidend bleibt, dass Führungskräfte und Unternehmen in Krisenzeiten gemeinsam nach Lösungen suchen, um Stabilität, Innovation und langfristigen Erfolg zu sichern. Dies gelingt, wenn Führungskräfte auf Zuversicht, klare Strukturen und Mitarbeitendenbeteiligung setzen, um sowohl Stabilität als auch Transformation zu ermöglichen.

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Foto Kaan Bludau

Kaan Bludau ist Gründer und Geschäftsführer der BludauPartners Executive Consultants GmbH und Inhaber der GEMINI Executive Search GmbH. Seit über 25 Jahren betreut Bludau marktführende Mittelständler, Großkonzerne und Familienbetriebe bei der Besetzung von Management- und Spezialistenpositionen.

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