So gelingt Fachkräftebindung abseits der Großstadt

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Beginner- und Exit-Interviews, „Lift Off“ digitaler Luftballons, „OKR-Rakete“ – Gero Schmitt-Sausen, Geschäftsführer inFranken.de, schildert, wie Fachkräftebindung außerhalb der Metropolen funktioniert.

Das beschauliche Franken bietet mehr als schöne Landschaften, deftige Küche und UNESCO-Welterbe. So sind viele Hidden Champions und KMU in der Region angesiedelt. Eines davon ist inFranken.de, Tochterunternehmen der Mediengruppe Oberfranken. Um Mitarbeitende zu finden und zu halten, geht das Unternehmen einen besonderen Weg.

Der Mangel an Digitalexpertinnen und -experten liegt auf Rekordniveau und stieg mit der Pandemie einmal mehr an. Gleichzeitig ist das Angebot und die Vielfalt an Stellen hoch. Das versetzt die begehrten Fachkräfte in eine privilegierte Lage: Sie können sich ihren Arbeitgeber aussuchen. Auch bei inFranken.de mit Sitz in Bamberg liegt der Fokus auf dem Recruiting von Online-Spezialistinnen und -Spezialisten.

Keine leichte Aufgabe – konkurriert doch die ländliche Idylle des Frankenlands mit Großstadtflair und entsprechenden Gehältern. Warum haben sich Kolleginnen und Kollegen für inFranken.de entschieden, die aus Köln, München und Frankfurt stammen und gerne bleiben? Die Erfolgsfaktoren für Fachkräftebindung abseits der Großstadt:

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1. Die wichtigsten Akteurinnen und Akteure einbinden

Um die gefragten Köpfe zu finden und zu halten, ist es aus meiner Sicht essenziell, sich schon früh mit der Motivation der potenziellen Bewerberinnen und Bewerber auseinanderzusetzen. Was macht ihren idealen Arbeitgeber aus und warum bleiben sie im Unternehmen? Deshalb beschäftigten wir uns im Rahmen von Employer-Branding-Workshops intensiv mit der Persönlichkeit geeigneter Kandidatinnen und Kandidaten für spezifische Stellen: Warum möchten sie bei uns arbeiten? Was ist ihnen wichtig? Aber auch: Wie passen ihre Erwartungen mit unseren Anforderungen zusammen?

Ziel war es, in der Ansprache nicht ausschließlich auf fachliche Fähigkeiten, sondern in viel stärkerem Maße auf deren Erwartungen und Motivation abzuzielen. Ergänzend haben wir zum Start bei inFranken.de sogenannte „Beginner-Interviews“ geführt und fragen Mitarbeitende bei Ausscheiden in „Exit-Interviews“ zu ihren Beweggründen. Wir wollten wissen, warum Menschen sich für inFranken.de entscheiden und was sie bewegt, das Unternehmen zu verlassen.

Diese Erkenntnisse nutzen wir sukzessive, um Prozesse zu optimieren. Im ersten Schritt haben wir unsere Stellenbeschreibungen vollständig überarbeitet. Dafür betrachteten wir verschiedene Job-Cluster separat. Als Ergebnis entstanden individualisierte Stellenanzeigen für fünf Bereiche – statt bisher stark auf die Qualifikation abzuzielen, steht nun die Persönlichkeit im Vordergrund.

Darüber hinaus existiert seit Jahren ein kontinuierliches Instrument, um die Stimmung direkt im Team einzufangen: Einmal monatlich beantworten alle Mitarbeitenden von inFranken.de freiwillig und anonym ein paar Fragen, die auf die Zufriedenheit und das Zugehörigkeitsgefühl einzahlen. Sie geben Einblicke in die Zusammenarbeit und zum Workload. Das Stimmungsbild zeigt, wie das Team sich aktuell einschätzt, ob Differenzen vorliegen oder ein/e Kollege / Kollegin Schwierigkeiten hat und ist so das ideale „Frühwarnsystem“.

2. Klare Leitplanken für eine selbstständige Arbeitsweise

Seit Start der Corona-Pandemie ist sie wichtiger denn je: Die flexible Einteilung der Arbeitsstunden, die es möglich macht, auch auf privat Unvorhergesehenes zu reagieren und auch den Ort des Arbeitens immer häufiger selbst zu wählen. Dazu kommt, dass die digitale Kommunikation via Tools auch bei inFranken.de stark zugenommen hat und anhält. Von Vorteil war, dass wir schon seit Jahren nach agilen Prinzipien arbeiten. Sie ermöglichen uns, schnelle und zugleich fundierte Entscheidungen zu treffen und setzen auf kurze Umsetzungshorizonte.

Seit 2019 richten wir uns zudem nach der Zielmanagementmethode Objectives and Key Results (OKR). Einmal jährlich prüfen wir die strategischen Herausforderungen für das kommende Jahr. Darauf basierend legen wir die Objectives, also die übergeordneten Ziele für das Jahr fest. Gemeinsam mit allen Mitarbeitenden erarbeiten und definieren wir im nächsten Schritt die kurzfristigen Ziele (Key Results) für das kommende Quartal. In der Umsetzung wählt jedes Team den Weg, also die konkreten Maßnahmen zur Realisierung, selbst. Wir sprechen über etwaige Abhängigkeiten und fördern ganz gezielt die interdisziplinäre Zusammenarbeit zur Erreichung unserer Key Results. Am Ende des Quartals tauschen sich alle gemeinsam aus und überprüfen die Ergebnisse in einem Review.

3. Präsent sein – intern und extern

Damit Mitarbeitende sich mit dem Erfolg und Misserfolg des Unternehmen identifizieren, denken und handeln sie im Idealfall stark unternehmerisch. Die Führungskraft ist in der Pflicht, dieses Mindset zu fördern: Nicht nur, indem sie Mitarbeitenden das Vertrauen einer selbstorganisierten Arbeitsweise entgegenbringt, sondern auch, indem sie Erfolge wertschätzend sichtbar macht. In regelmäßigen Abständen feiern wir erreichte Meilensteine und haben kleine Prozesse eingeführt, die den Fortschritt plakativ darstellen.

So haben wir beispielsweise das Rahmenwerk OKR für uns leicht adaptiert: Zu Beginn eines jeden Quartals werden im sogenannten „Lift Off“ die individuellen Key Results auf digitale Luftballons geschrieben. In den folgenden drei Monaten beobachten wir, wie hoch sie gestiegen sind – also wie viel wir geschafft haben und was es noch zu erreichen gilt. Zum Abschluss des Quartals findet dann zusätzlich die „OKR-Rakete“ statt. Bei diesem Termin schauen wir, wie hoch die Luftballons gestiegen sind und ob sich diese sogar in „Raketen“ verwandelt haben.

Der Vorteil: Zwischendurch machen wir die Fortschritte, Erkenntnisse und Erfolge auf eine leicht zu konsumierende Art und Weise sichtbar und integrieren das gesamte Team in den OKR-Zyklus. Mit dieser und weiteren wertschätzenden Maßnahmen gelingt es, intrinsische Motivation zu erzeugen und die Freude an der Arbeit zu fördern.

Darüber hinaus schaffen wir auch extern – zum Beispiel auf unserem LinkedIn-Auftritt und der Über-uns-Seite – Raum für das Wichtigste eines Unternehmens: Die Mitarbeitenden. Denn sie entscheiden maßgeblich über Erfolg und Nichterfolg.

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Foto Gero Schmitt-Sausen

Gero Schmitt-Sausen ist Geschäftsführer der mgo Lokale Medien GmbH & Co. KG. In dieser Funktion trägt er die wirtschaftliche Verantwortung für 20 Medienmarken der Mediengruppe Oberfranken und ist für deren Führung und Werbevermarktung zuständig.

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