Blickrichtung ändern: Wie HR Brücken zur Zukunft bauen kann

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Die meisten Veränderungsvorhaben scheitern daran, dass sie am falschen Problem ansetzen, sagt Svenja Hofert. Denn zum Deep Dive nimmt sich fast niemand Zeit. HR könnte zu mehr Problemverständnis beitragen und damit zu nachhaltigeren Lösungen. Die Blickrichtung ändern – dabei helfen die hier vorgestellten sieben Denkrahmen.

Agilität ist tot, es lebe – ja, was? Ich habe viele Vorhaben scheitern sehen. Derzeit ist Agilität weniger gefragt, alle schreien nach New Work. Es wird genauso ausgehen. Man sucht eine Lösung für ein vordergründiges Problem wie die lähmende Lehmschicht mittlerer Führungskräfte oder die fehlende Lernbereitschaft nicht mehr zeitgemäß qualifizierter Belegschaften. Aber das wirkliche Problem liegt meist entweder ganz woanders oder tiefer.

Die Folgen fehlender Problemanalyse sind überall dieselben: Es wird mehr gemacht, aber nicht weniger. Das Ergebnis ist ein Showdown, bei dem am Ende doch wieder das siegt, was man bekämpfen wollte. Aus einer Matrix wird mit dem Spotify-Modell… eine Matrix. Zur Führungsposition gibt’s jetzt auch noch Rollen und neue Titel wie Chapterlead gratis dazu. Mehr, nicht weniger.

HR sollte auch Gestalter sein, nicht nur Dienstleister

Als all diese Dinge unter dem Label der „agilen Organisation“ geschahen, hat HR nicht laut genug Einhalt geboten. Es hat meist brav Anforderungen erfüllt, wie eh und je: Dienstleister nicht Gestalter. Dabei wissen HRler doch, was eine Entscheidung wirklich bedeutet: Die Verneinung von etwas – nicht das erneute Jasagen. Ihnen ist meist klar, dass ein veränderter Kontext neues Verhalten prägt und nicht die nächste Schulung. Aber ein Machtwort? Habe ich von dieser Seite selten gehört.

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Agilität hat oft die IT weggenommen

Das Problem ist die vermeintlich fehlende Zeit. Was passiert da eigentlich in unserer Organisation, da wo es knirscht und brennt? Kommt das nicht von ganz woanders? Welche Entscheidungen werden getroffen, welche nicht – und wo? In vielen Unternehmen ist Organisations- und Personalentwicklung nach wie vor voneinander getrennt. Veraltete Strukturen hemmen.

Keine Organisation ist wie die andere, weshalb die Suche nach Musterlösungen nur falsch sein kann. HR könnte helfen, dass die Organisation wieder das Organisieren lernt, ohne so wichtige Themen wie Veränderungspsychologie und Kultur zu vergessen.

Sie könnte helfen, Organisations- und Gruppendynamiken zu verstehen. Sie könnte systemisches Wissen einbringen. Oder auf zu hohe gegenseitige Abhängigkeiten in den Teams hinweisen. Sie könnte befähigen. Müsste dabei aber bereit zu einem Rollenwechsel sein. Und mehr noch: Sich an einigen Stellen überflüssig zu machen und Jobs zu streichen.

Sieben Denkrahmen helfen, die Blickrichtung zu ändern:

1. Behandeln Sie Komplexität wie Komplexität

In komplexen Systemen führt A nicht zu B, weil kein Ursache-Wirkungszusammenhang da ist. Kommunikation ist das immer, erst recht in Teams.

Schalten Sie in komplexen Systemen den Lösungsmodus aus. Lassen Sie sich hier auf das Verstehen-Wollen ein. Verzichten Sie auf Bewertung und beobachten Sie. Fahren Sie Ihr Betriebssystem runter – die Art, wie Sie auf Anforderungen normalerweise reagieren.

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2. Denken Sie wie ein Wissenschaftler

Wissenschaftler beobachten Systeme. Sie tun das, um Erkenntnisse zu gewinnen, die es bisher nicht gab. Nicht um sich zu bestätigen. Systemdenken ist essenziell: Beobachten Sie den Konflikt, das Team oder die Organisation in ihrer Logik. Formulieren Sie Hypothesen, bevor Sie zu Lösungen kommen. Denken Sie mit anderen zusammen, und bewusst über den Tellerrand – des gewohnten Denkens und der Abteilung.

3. Stellen Sie Fragen zu Ihren Grundannahmen

Wir werden gesteuert durch Grundannahmen, die uns nicht zugänglich sind. Diese sagen uns, wie die Welt zu sein hat und formen die Sicht auf Zukunft. Die Annahmen über die Zukunft sind beispielsweise sehr stark durch vergangene Erfahrungen geprägt. Dabei ist die Zukunft eben keine lineare Fortschreibung der Gegenwart. Fragen Sie sich: Woran erkennen wir, dass etwas richtig ist? Und woher wissen wir überhaupt, was wir zu wissen meinen?

4. Spannen Sie Pole auf

Pole beschreiben nicht etwa Gegensätze, sondern gleichwertige Möglichkeiten, sich zu verhalten und entscheiden. Ein Gegenpol zu Agilität ist Rigidität. Die rigide Starrheit braucht es, um Weichen zu stellen, in denen agile Bewegung möglich wird. Wenn Menschen sich festfahren, dann oft an einem Pol. Erforschen Sie, welcher Pol im Hinblick auf ein Problem dysfunktional und welcher funktional ist.

5. Transformieren Sie, statt zu informieren

Wir informieren zu viel und transformieren zu wenig. Transformieren bedeutet die Form zu verändern, anders zu denken und zu handeln. Information ist die Verlängerung dessen, was schon da ist, Transformation dagegen ist Geburt – mit allem, was zum Wachstum dazu gehört, auch dem Zweifel und der Unsicherheit, wenn alles neu ist.

6. Experimentieren Sie vor aller Augen

Erst rückwärts betrachtet wissen wir, welche Herangehensweisen erfolgreich waren. Aber nie, welche sich noch hätten bewähren können, wenn… man sie denn ausprobiert hätte. Experimente sind in komplexen Umfeldern die einzige Möglichkeit, neue Erfahrungen zu machen. Dabei gibt es mehr Experimente, als viele auf den ersten Blick sehen: Verhaltensexperimente, Raumexperimente, Technologieexperimente, Kundenexperimente, Ritualexperimente, Kommunikationsexperimente oder auch Organisationsexperimente.

7. Lassen Sie Teams lernen

HR hat sich Jahrzehnte am Individuum abgearbeitet und Teamentwicklung vor allem auf die soziale Dimension von Team bezogen, nicht aber wirklich auf das Ermöglichen von Leistung. Teamlernen ist etwas ganz anderes als Zusammenlernen in einem Working-Out-Loud-Circle. Es bedeutet, dass ein Team die Rahmenbedingungen bekommt, um gemeinsam im Sinne der Organisation Erfahrungen zu machen, die es so bisher nicht gab.

Dafür müssen wir an vielen Stellen auch Team neu denken – als kleine Gruppe, die sich auf ein gemeinsames Problem fokussiert und dieses lösen will.


Das Buch zum Thema

Foto Buchcover Business Slowdown

Svenja Hofert
Business Slowdown:
Co-kreativ führen in postagilen Zeiten

Gabal Verlag 2022
200 Seiten
23,0 x 15,6 cm
Buch (Gebunden) 978-3-96739-088-9
€ 32,00 (D) | € 32,90 (A)

 

 

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Svenja Hofert ist vielfache Buchautorin. Sie verbindet eine neue Sicht auf Wirtschaft und Leadership mit Psychologie. Mit ihrer Teamworks GTQ GmbH berät sie Organisationen und bildet Menschen aus, die zur agilen Transformation beitragen. Als Keynote-Speakerin für virtuelle Veranstaltungen und Konferenzen spricht sie aktuell zum Thema „Postagilität". Foto: © Anri Coza Photography

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