Die Zeit der Kurzarbeit kann gezielt für Weiterbildung genutzt werden. Joachim Giese, Vorstand der WBS Gruppe, stellt hier die Vorteile des Qualifizierungschancengesetzes für Unternehmen und Beschäftigte sowie die Voraussetzungen für die Beschäftigtenförderung vor.
2024 nutzten deutlich mehr Unternehmen als im Vorjahr Kurzarbeit, um ihre Beschäftigten in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu halten. Nach Schätzungen der Bundesagentur für Arbeit waren im Jahresdurchschnitt rund 320.000 Personen in Kurzarbeit – deutlich mehr 2023. Die Zeit einer anstehenden Kurzarbeit kann aber auch für eine Weiterbildung mit Förderung durch das so genannte Qualifizierungschancengesetz genutzt werden – mit ähnlicher finanzieller Entlastung für das Unternehmen und dem Vorteil für beide Seiten, die freie Zeit für Weiterbildung zu nutzen und so besser für die Zukunft gerüstet zu sein.
Warum Beschäftigtenförderung als Alternative zu Kurzarbeit?

Die aktuelle wirtschaftliche Situation könnte besser sein. Wie aus Zahlen der Bundesagentur für Arbeit hervorgeht, steigt die Zahl der Arbeitnehmer in Kurzarbeit stetig. Die Bundesregierung sieht die schwierige Lage der Unternehmen und hat deshalb die Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes für Fälle aus 2024 auf bis zu 24 Monate verdoppelt.
Was viele übersehen: Die Zeit der Kurzarbeit muss nicht ungenutzt bleiben – sie kann gezielt für Weiterbildung genutzt werden. Von Beschäftigtenförderung profitieren beide Seiten:
- Mitarbeitende gewinnen neue Qualifikationen, die sie nicht nur in ihrem aktuellen Job, sondern auch auf dem Arbeitsmarkt stärken. Dies gibt Sicherheit und neue Perspektiven, insbesondere in unsicheren Zeiten.
- Unternehmen profitieren nach der Krise von einer besser ausgebildeten Belegschaft, die mit neuen Kompetenzen die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit steigert. Dies ist besonders wichtig, um auf die wirtschaftlichen Herausforderungen zu reagieren.
Hinzu kommt:
- Finanzielle Entlastung: Staatliche Förderungen machen Weiterbildungen wirtschaftlich attraktiv.
Praxisbeispiel: Statt Kurzarbeit wichtige Qualifizierung

Ein Unternehmen im Maschinenbau mit 40 Mitarbeitenden steht vor einer Auftragslücke. Obwohl ein neuer Auftrag in Sicht ist, kommt es zu einer dreimonatigen Produktionspause – eine typische Situation, in der häufig Kurzarbeit angemeldet wird. Das bedeutet, dass die Mitarbeiteinnen / Mitarbeiter zu Hause bleiben und nur 60 oder 67 Prozent ihres Nettolohns erhalten. Gleichzeitig könnte wichtiges Fachwissen verloren gehen, weil es nicht genutzt wird.
Doch es gibt eine Alternative: das Qualifizierungschancengesetz (QCG). Mit Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit kann die Zeit sinnvoll genutzt werden. Die Unternehmensleitung bespricht mit den Beschäftigten, welche Weiterbildungsziele sinnvoll sind, und wählt gemeinsam mit einem zertifizierten Bildungsträger geeignete Kurse oder Lehrgänge aus. Mit diesen Informationen stellt das Unternehmen einen Antrag auf Förderung.
Der Ablauf könnte so aussehen: Eine Mitarbeiterin möchte lernen, wie sie die neue CNC-Dreh- und Fräsmaschine bedienen und programmieren kann. Das ist besonders wichtig, weil bei Krankheit oder Engpässen oft niemand da ist, der einspringen könnte.
Ein passender Kurs findet sich schnell: CNC-Programmierer:in Drehen/Fräsen Metall mit spezieller Maschinensoftware. Der Kurs dauert 60 Tage (ca. drei Monate) und kostet rund 7.000 Euro. Dank der Förderung werden die Kurskosten vollständig übernommen. Zusätzlich werden 75 Prozent der Lohnkosten der Mitarbeiterin erstattet.
Das Bruttogehalt der Mitarbeiterin liegt bei 3.500 Euro pro Monat. Zusammen mit den Sozialversicherungsbeiträgen von 20 Prozent ergibt sich eine monatliche Gesamtbelastung von 4.200 Euro. Davon werden 75 Prozent, also 3.150 Euro, gefördert – insgesamt 9.450 Euro für drei Monate. Das Unternehmen zahlt für die Mitarbeiterin in dieser Zeit 12.600 Euro für Lohn und Sozialversicherung, muss aber nur 3.150 Euro selbst tragen.
Geringe Kosten – immenser Mehrwert

Im Vergleich zur Kurzarbeit entstehen dem Unternehmen Mehrkosten von rund 1.000 Euro – bei einer Aufstockung auf 80 Prozent des Entgelts, wie sie häufig praktiziert wird, sogar noch weniger. Und die Investition lohnt sich: Die Mitarbeiterin erhält weiterhin ihr volles Gehalt und erwirbt neue Qualifikationen, die dem Unternehmen langfristig zugutekommen. Wäre Kurzarbeit angemeldet worden, hätte das Unternehmen immerhin noch etwa 700 Euro pro Monat an Sozialversicherungsbeiträgen zahlen müssen (insgesamt etwa 2.100 Euro in drei Monaten) – ohne zusätzlichen Nutzen für Mitarbeiterin oder Unternehmen.
Beschäftigtenförderung: Die Fördermöglichkeiten im Einzelnen
Die Bundesagentur für Arbeit fördert die Qualifizierung von Beschäftigten in Abhängigkeit von der Betriebsgröße mit erheblichen finanziellen Mitteln:
- Bis 49 Beschäftigte: 100 Prozent der Weiterbildungskosten
- 50–499 Beschäftigte: 50 Prozent der Kosten
- Ab 500 Beschäftigte: 25 Prozent der Kosten
Voraussetzungen für die Förderung
Damit eine Weiterbildung gefördert wird, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
- Mindestdauer: Die Maßnahme muss mindestens 120 Stunden umfassen.
- Zertifizierung: Sowohl der Bildungsträger als auch die Maßnahme müssen AZAV-zertifiziert sein.
- Arbeitsmarktrelevanz: Die vermittelten Kenntnisse sollten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gefragt sein.
- Betriebsnähe: Die Weiterbildung sollte an die Gegebenheiten des Betriebs angepasst sein.
Wie starten Sie?
Das Verfahren, um staatliche Förderungen für Weiterbildungen zu erhalten, ist relativ simpel
- Von Bildungsträger oder Bundesagentur für Arbeit beraten lassen: Das Unternehmen klärt, welche Weiterbildungsmaßnahmen sinnvoll sind und welche Förderung möglich ist.
- Anbieter suchen: Das Unternehmen wählt – wenn nicht schon geschehen – einen Bildungsträger aus, der geförderte Weiterbildung anbietet und bei der Strategieentwicklung unterstützt.
- Strategie entwickeln: Das Unternehmen und der Bildungsträger entwickeln gemeinsam eine Strategie, welche Weiterbildungen für die Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter sinnvoll sind.
- Förderung beantragen: Nach Festlegung der Strategie beantragt das Unternehmen die Förderung bei der zuständigen Agentur für Arbeit, um die Weiterbildung zielgerichtet voranzutreiben.
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Joachim Giese ist Vorstand der WBS GRUPPE, einer führenden Anbieterin für Online-Weiterbildungen und Ausbildungen in Deutschland. Foto: Achim Multhaupt